Propst Gregor Giele spricht über den Bau der Leipziger Propsteikirche

"Kirche als Hoffnungszeichen"

Veröffentlicht am 12.04.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
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Architektur

Bonn ‐ Zuletzt hatte es Probleme gegeben. Kurz vor der offiziellen Einweihung der Leipziger Propsteikirche St. Trinitatis stellte sich heraus, dass eine Glocke statische Probleme im Kirchturm verursacht. Katholisch.de hat darüber mit Propst Gregor Giele gesprochen. Im Interview erzählt er, welche Lösung gefunden wurde und warum St. Trinitatis ein wichtiges Zeichen der Kirche in der Diaspora ist.

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Frage: Herr Giele, am 9. Mai soll die Propsteikirche St. Trinitatis eingeweiht werden. Nun hat es aber einige Aufregung um den Kirchturm gegeben. Was ist passiert?

Gregor Giele: Vor einigen Wochen haben wir einen Schwingungstest durchführen lassen. Das Gutachten hat nun ergeben, dass die kleinste der sechs Kirchenglocken eine zu hohe Anschlagfrequenz hat. Dadurch wird der Turm zu sehr in Schwingung versetzt, was statische Probleme verursacht. Leider handelt es sich um die historische Glocke.

Frage: Ein Prüfstatiker hatte bereits vor Baubeginn Bedenken geäußert und einen Schwingungstest gefordert.

Giele: Der Turm musste natürlich erst fertiggestellt sein, um diesen Test am konkreten Projekt durchführen zu können. Der Statiker hat lediglich im Vorfeld auf die Notwendigkeit dieses Tests hingewiesen, nachdem er die Berechnungen geprüft hat. Jetzt hat sich leider herausgestellt, dass zwischen berechneter Theorie und wirklichem Leben – wie so oft – ein kleiner Unterschied besteht.

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Gregor Giele ist Propst der Gemeinde St. Trinitatis in Leipzig.

Frage: Das zuständige Architektenbüro "Schulz __amp__ Schulz" weist Fehler in der statischen Berechnung zurück. Auch die Bedenken des Prüfstatikers sei ihnen nicht bekannt gewesen.

Giele: Den Bericht des Prüfstatikers und den Hinweis auf den Schwingungstest kannten sie selbstverständlich. Die Verantwortungsfrage haben wir aber zunächst einmal "geparkt". Denn wir haben jetzt ein Problem, für das wir eine Lösung brauchen.

Frage: Und wie kann die aussehen?

Giele: Vor Ostern haben wir drei Lösungsvarianten angedacht, die dann von Fachleuten auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft werden sollten. Die erste Möglichkeit wäre eine nachträgliche Verstärkung des Turms gewesen, die zweite ein Gegenpendel und die dritte eine kompletter Verzicht auf die historische Glocke. Dann hätten wir eine neue, schwerere Glocke gebraucht. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass diese Lösungen entweder zu aufwendig oder zu wenig erfolgsversprechend sind.

Frage: Wie geht es dann weiter?

Giele: Am Donnerstag ist eine neue Idee geboren worden. Die historische Glocke wird aus dem Glockenstuhl herausgenommen und bekommt einen eigenen Aufstellort im selben Turm. Dort wird sie dann nicht mehr geschwungen, sondern mit einer Art Hammer angeschlagen. Dadurch erzeugt sie viel weniger Schwingungen. Die sechs bis acht Glockenschläge sollen das anschließende Geläut der restlichen Glocken ankündigen.

„Es macht in der öffentlichen Wahrnehmung sicher einen Unterschied, ob eine Kirche gebaut wird oder ob das Bauwerk den Beigeschmack des Privaten hat.“

—  Zitat: Propst Gregor Giele

Frage: Die Öffentlichkeit ist nach dem Skandal in Limburger für kirchliche Bauprojekte sensibilisiert. Entstehen durch die ungeplante Änderungen Mehrkosten für die Pfarrei?

Giele: Für die Propsteipfarrei nicht. Zunächst wird die mögliche Lösung noch einmal durchgeplant und auf die Kosten hin überprüft. Und dann müssen wir schauen, wer für die Probleme verantwortlich ist. Die Pfarrei hat die sechs Glocken jedenfalls schon bei dem damals ausgeschriebenen Architektenwettbewerb angegeben und ist deshalb bei der Verantwortlichkeit außen vor.

Frage: Sie sind zwar erst seit März Propst in St. Trinitatis, haben das Bauprojekt aber von Beginn an begleitet. Mussten Sie sich für den Bau auch schon rechtfertigen?

Giele: Der reine Kirchenbau kostet etwa 15 Millionen Euro. Natürlich gab es am Anfang Diskussionen darüber, ob man das Geld nicht lieber in soziale Projekte steckt oder ähnliches. Aber die sind relativ schnell abgeebbt. Einerseits weil der Bau selbst, so wie er bisher sichtbar ist, viele Menschen überzeugt. Andererseits aber auch, weil unser Argument gehört wurde, dass das soziale und gesellschaftliche Engagement der Christen eine Quelle hat. Und die gilt es zu pflegen. Dazu gehört auch, dass die Gläubigen Gottesdienste feiern können. Und um noch einmal auf Limburg zurückzukommen: Es macht in der öffentlichen Wahrnehmung sicher einen Unterschied, ob eine Kirche gebaut wird oder ob das Bauwerk den Beigeschmack des Privaten hat.

Frage: Könnte es Gläubige aber nicht dennoch irritieren, wenn in Leipzig eine neue Kirche gebaut wird, während in den anderen Bistümern Gotteshäuser geschlossen werden?

Giele: Es ist sicher eine Überraschung, dass das in einer Region geschieht, in der man es aufgrund der religiösen Situation eigentlich nicht erwartet. Auf der anderen Seite ist diese Kirche auch ein Hoffnungszeichen. Denn wir bauen sie nicht nur, weil das jetzige Gotteshaus marode ist, sondern weil die Gemeinde sehr jung ist und kontinuierlich wächst. Der Altersdurchschnitt liegt bei knapp 37 Jahren. Und mit über 4.700 Mitgliedern sind wir inzwischen die größte Gemeinde im Bistum Dresden-Meißen. Mitte der 1990er-Jahre waren es gerade einmal 1.900 Gläubige. Das kann in einer Zeit, in der man sonst nur von Kirchenschließungen hört und eine bedrückte Stimmung herrscht, auch wohltuend sein.

Frage: Ist die neue Propsteikirche auch ein Zeichen für das Selbstbewusstsein der Katholiken in der Diaspora?

Giele: Nicht allein das Bauwerk, sondern vielmehr die Entwicklung der ostdeutschen Gemeinden selbst, die sich im Aufbruch befinden und wachsen. Das gilt nicht nur für Leipzig, sondern genauso für Städte wie Dresden oder Chemnitz. Dieses Phänomen ist sicher ein Grund zur Freude und tut der deutschen Kirche gut.

Frage: Am 9. Mai soll die Kirche eingeweiht werden. Wie geht es dann weiter?

Giele: Zunächst ist für den Umzug und die Einweihung noch einiges vorzubereiten. Am Einweihungswochenende wollen wir dann aber auch intensiv feiern. Anschließend wird die neue Gemeinde die Kirche nach und nach in Besitz nehmen, erkunden und als ihre neue Heimat entdecken können. Erste Veranstaltungen sind auch schon geplant. Außerdem liegen uns bereits viele Anfragen für Besuchergruppen vor. Es wird also hoffentlich ein buntes Leben geben.

Frage: Worauf freuen Sie sich, wenn die Kirche endlich fertig ist?

Giele: Mit der Einweihung ist der Bau ja nicht unbedingt ganz abgeschlossen. Kleinigkeiten gibt es auch dann noch zu tun. Aber man gewinnt als Pfarrer selbstverständlich wieder mehr Kapazitäten, um in und mit der Gemeinde arbeiten zu können. Und dann müssen wir uns ja auch schon wieder auf den 100. Katholikentag hier in Leipzig vorbereiten.

Das Interview führte Björn Odendahl