Kirche sollte serviceorientierter sein
Nun benennt Bischof Felix Genn in einem Buch Strategien, mit denen er die aktuelle Situation in seinem Bistum gestalten will. Am Freitag stellte er die Publikation "Beziehung statt Abgrenzung – Kirche im Wandel. Status und Perspektiven im Bistum Münster" vor.
Sie dokumentiert die Ergebnisse und stellt Konsequenzen dar, die aus der Zufriedenheitsstudie für Seelsorge, Personal und Kommunikation gezogen werden könnten. Herausgeber sind Heribert Meffert, der emeritierter Direktor des Instituts für Marketing am Marketing Center Münster, und Norbert Kleyboldt, der bis Juni Generalvikar der Diözese war. Meffert war mit der Studie beauftragt worden und hatte im Anschluss vor einem einfachen "Weiter so!" gewarnt.
Die repräsentative Befragung von 1.000 Katholiken fand Ende 2014 statt. Dabei gaben 17 Prozent der Gläubigen an, selbst in kritischen Situationen in ihrer Pfarrgemeinde keinen Halt zu finden. Besonders unzufrieden mit der Kirche sind laut Studie die Katholiken unter 25 Jahren und die zwischen 56 und 65 Jahren. Insgesamt rund 22 Prozent der Kirchenmitglieder im Bistum Münster seien austrittsgefährdet.
Linktipp: Warum treten sie aus?
"Wir befinden uns in einer Abwärtsbewegung", sagt Münsters Bischof Felix Genn. Abwärts geht es in der Kirche bei allen relevanten Zahlen: etwa bei den Gottesdienstbesuchern, den Taufen und den Trauungen. Genn stellte die Ergebnisse einer Zufriedenheitsstudie seines Bistums vor. (Artikel vom März 2015)Schon im Titel des neuen Buches stecke die Einschätzung, dass Kirche heute oft als sich abgrenzende, den Menschen fernstehe Institution wahrgenommen werde, sagte Genn. "Eine solche sich von anderen Menschen abgrenzende Kirche wollen wir nicht sein; eine solche Kirche kann die Kirche Jesu Christi nicht sein," fügte er hinzu. Der Bischof sprach sich dafür aus, dass die Kirche die Beziehung zu den Menschen zum zentralen Muster ihrer Seelsorge macht. Die Menschen müssten Vertrauen zu den Kirchenvertretern haben oder neu gewinnen und müssten erfahren, dass der Glaube ihr Leben bereichere.
Serviceorientierter und näher am Menschen
Genn zeigte einige Perspektiven auf, wie der Wandel im Bistum gestaltet werden kann. Nach seinen Worten sollte die Kirche serviceorientierter und näher an den Menschen sein. Kontakte müssten gehalten werden, neue gewonnen und gestärkt werden. Der Bischof erinnerte daran, dass Leitung und Verantwortung in der Kirche in vielen Feldern nicht an das Priestertum gebunden sei. Laut ihm ist es wichtig, die Getauften darin zu unterstützen, ihre Begabungen einzubringen, und Teamfähigkeit zu leben.
Zudem sollten eine "Gelegenheitspastoral" – also Gesprächsangebote im alltäglichen Lebensumfeld der Menschen – und Experimente im liturgischen, caritativen und katechetischen Bereich Raum bekommen. Es gelte, "angstfrei, mit Mut zum Experiment und mit Mut zum Scheitern" zu wirken, so Genn. Auch qualitative und quantitative Selbstkontrollen sollten nicht zu kurz kommen.
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Von seinen Mitarbeitern forderte der Bischof eine verstärkte Serviceorientierung. Natürlich sei Kirche keine Serviceagentur, aber durchaus Dienstleister: "Hier sollten wir mehr als Ermöglicher wahrgenommen werden. Es gilt, neu in den Blick zu nehmen, was wirklich nicht geht oder was nur ungewöhnlich und neu ist," sagte er und fügte hinzu: "Wir wollen unsere Mitglieder gut bedienen". Vertreter der Kirche sollten als "einladend, zuversichtlich, authentisch, mitten im Leben und unter den Menschen stehend" wahrgenommen werden.
Zufriedene Katholiken durch Rechtschaffenheit
Der auch als "Marketing-Papst" bekannte Meffert nannte Integrität, Interaktion und Integration als "Schlüsselbegriffe" für die Kirche. Zufriedene Katholiken gewinne die Kirche durch Rechtschaffenheit und nicht zuletzt dadurch, wie sie mit Fehlern umgehe, so der Wirtschaftswissenschaftler und Mitautor des Buches. Zudem müsse die Kirche ihre Kräfte bündeln und ihre Strukturen überdenken. Viele Bürger wüssten beispielsweise nicht, dass die Caritas ein Dienst der Kirche sei. Zugleich müssten Mitglieder in alle Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Meffert betonte, wie wichtig Transparenz sowie eine offene, dialogorientierte Kommunikation seien. Die Unzufriedenheit der Menschen müsste aufgefangen werden.
Die Kirche begegne den Menschen mal als Institution, mal in den einzelnen Getauften, ergänzte Oberhirte Genn. Die Zufriedenheit mit der Kirche sei Voraussetzung, damit Menschen frei und positiv auf die Einladung Gottes antworten können. Einen Schritt auf die Enttäuschten und Unzufriedenen zu hat das Bistum bereits im Februar 2015 gemacht: Es gibt eine zentrale Beschwerdestelle, an die sich Gläubige mit Wut im Bauch und mit Verbesserungsvorschlägen wenden können. (mit Material von KNA)