Kleine Gesten, große Wirkung
Zu ihnen gehört auch Isabel Lobinesco. Sie hat erlebt, was man keiner Mutter wünscht - ihre Tochter Cecilia wurde im Jahr 2011 mit 24 Jahren bei einem Überfall in einem Stadtviertel von Buenos Aires ermordet. Gemeinsam mit anderen Müttern, die ihre Kinder auf dieselbe Weise verloren hatten, bat sie damals Erzbischof Bergoglio, eine Messe zu lesen, als Zeichen gegen die herrschende Gewalt in einigen Vierteln der Hauptstadt. Kaum dass der Gottesdienst angefangen hatte, brach Isabel in Tränen aus. Bergoglio unterbrach daraufhin die Messe, kam zu ihr, umarmte sie und sagte: "Lass sie gehen. Sie ist jetzt an Gottes Seite. Auch dir wird er all die Wärme geben, die du brauchst". Isabel erinnert sich: "Diese Worte veränderten alles. Sie haben mich getröstet".
„Mir gefällt es, mich an den Tisch der Armen zu setzen, denn sie teilen nicht nur das Essen, sondern sie geben dir immer auch ein Stück ihres Herzens.“
Auch Dario Gimenez aus dem verarmten Teil des Stadtviertels Barracas ist von Franziskus tief beeindruckt. Wie die Zeitung La Nacion berichtet, lernte er ihn vor einiger Zeit über den örtlichen Pfarrer kennen. Bei einem der Besuche in der Gemeinde lud der 43-Jährige den damaligen Kardinal ein, gemeinsam mit seiner Familie zu Abend zu essen. Nichts Besonderes, ein paar Nudeln mit Tomatensoße. Dario wird Franziskus Worte angesichts des einfachen Mahls nie vergessen: "Mir gefällt es, mich an den Tisch der Armen zu setzen, denn sie teilen nicht nur das Essen, sondern sie geben dir immer auch ein Stück ihres Herzens."
Ganz anders fühlte sich Carina Ramos, als Sie den damaligen Erzbischof von Buenos Aires kennen lernte. 14 Jahre lang war sie in der Hand von Menschenhändlern gewesen. Gekidnappt, mit Drogen betäubt und vergewaltigt, hin-und hergeschoben zwischen verschiedenen Bordellen. Mehrere Male hatte sie versucht, sich aus dem Sumpf zu befreien, doch es aus eigener Kraft nie geschafft. Nach einem Hinweis der Hilfsorganisation "Fundacion Alameda" wandte sie sich an Bergoglio, wenngleich auch ohne große Hoffnungen. Doch dann geschah etwas Unerwartetes:
"Als er mir in die Augen schaute, sah ich etwas, dass ich in meinem Leben noch nie zuvor gesehen hatte. Einen heiligen Blick." Und auch als Carina ihm offenbarte, sie gehe seit langem nicht mehr in die Kirche, machte Bergoglio ihr keine Vorwürfe. Seine Worte damals: "Es ist nicht schlimm, dass du nicht in die Kirche gehst. Das wichtigste ist, dass du Gott in deinem Herzen fühlst". Anschließend überreichte er ihr ein kleines Medaillon mit einem Bild der Jungfrau Maria. Seitdem hat Carina wieder Mut gefasst. Seit einem Jahr hat sie es nun geschafft, diesen Teufelskreis hinter sich zu lassen und arbeitet nach einer Ausbildung jetzt als Frisörin.
„Dort, wo das Volk ist und wo es mich braucht, dorthin muss ich gehen.“
Franziskus holt die Menschen dort ab, wo sie stehen. Das hat auch Olga Cruz erlebt. Die Bolivianerin lebt mit ihren beiden Töchtern in der argentinischen Hauptstadt. Sie wollte die beiden taufen lassen, hatte aber Angst vor den Fragen, die ihr die Kirche stellen würde: nach Papieren, nach einem nicht vorhanden Ehemann oder nach der Religion der Taufpaten. Eines Tages, nach einer Messe in Buenos Aires, fasste sie sich ein Herz und sprach den damaligen Erzbischof Bergoglio an: "Würden Sie meine Töchter taufen?". Bergoglio reagierte spontan: "Selbstverständlich, es wird mir eine Ehre sein".
Kurze Zeit später wurden die beiden Mädchen im Haus der Hilfsorganisation "Fundacion Alameda" getauft. Dass es sich bei dem Zentrum nicht um eine Kirche handelte, war für Bergoglio kein Hindernis: "Dort, wo das Volk ist und wo es mich braucht, dorthin muss ich gehen. Es ist nicht nötig, dass sie in die Kirche kommen. Sie, wir sind die Kirche."
Von Christina Weyand