Kleine Minderheit - große Herausforderung
Frage: Herr Bischof Kozon, Sie sind Bischof des größten Bistums der Welt. Was bedeutet das?
Bischof Kozon: Ja, das ist zwar einerseits so, andererseits sollte man dies nicht so ernst sehen. Denn das, was Kopenhagen zu einem der größten Bistümer der Welt macht, ist die Fläche von Grönland. Im Mittelpunkt unserer Bistumsarbeit steht natürlich das normale Dänemark. Dort leben die katholischen Christen in der Diaspora, das heißt, die Katholiken leben zerstreut über das ganze Land verteilt als kleine Minderheit. Das ist eine große Herausforderung.
Frage: Was bedeutet diese Diasporasituation für das Glaubensleben?
Kozon: Man muss oft weit zur Kirche fahren, hat keine katholischen Nachbarn, die Jugendlichen keine katholischen Freunde oder Klassenkameraden. Wenn man anderen Katholiken begegnen will, gelingt das meist nicht im Alltag, sondern nur in der Kirchengemeinde, vor allem bei der Sonntagsmesse oder für Kinder und Jugendliche beim Kommunion- oder Firmunterricht.
Frage: Neben diesen praktischen Schwierigkeiten, was heißt Diaspora für das innere, individuelle Glaubensleben?
Kozon: Jeder Katholik muss sich, um seinen Glauben zu bewahren, seines Glaubens sehr bewusst sein. Das ist nicht immer leicht. Wenn Katholiken aus dem Ausland nach Dänemark kommen, kann man beobachten, dass sie ihre Glaubenspraxis von zu Hause aufgeben. Ausländer, die schon länger hier wohnen, geraten in die Versuchung, sich der sie umgebenden Gesellschaft anzupassen. Für die Seelsorger bedeutet dies eine große Herausforderung. Denn man kann nicht auf die Leute warten und erwarten, dass sie immer von selber kommen, man muss sie aufsuchen, das heißt, die Seelsorge muss bei uns viel individueller sein.
Frage: Wie viele Priester haben Sie, um diese individuelle Seelsorge zu bewerkstelligen?
Kozon: Wir haben in den 46 Gemeinden im Bistum insgesamt 72 Ordens- und Weltpriester. Sie sind nicht alle gleich auf die Landesteile verteilt.
„Dänemark ist mittlerweile ein sehr stark säkularisiertes Land. Und doch gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, die sich vermehrt für Glaube und Spiritualität interessieren.“
Zur Person
Czeslaw Kozon, geboren am 17. November 1951 in Idestrup in Dänemark, ist seit 1995 Bischof des Bistums Kopenhagen.Frage: Wie gelingt es, in solch einer Diaspora-Situation den Glauben an junge Menschen weiter zu geben?
Kozon: Es gibt junge Katholiken, die sich um ihren Glauben bemühen und gerne große Entfernungen zurücklegen, um sich in der Kirchengemeinde zu engagieren. Aber wir müssen auch feststellen, dass nach der Firmung viele Jugendliche der Kirche fernbleiben. Einige kommen zurück, wenn sie eine Familie gründen, aber viele werden keine aktiven Mitglieder der Kirche mehr. Wir bemühen uns, auch sie anzusprechen und hoffen, dass der Prozentsatz praktizierender Christen wächst. Vor allem das Jahr des Glaubens kann dazu beitragen.
Frage: Welche Stellung hat der christliche Glaube in Dänemark?
Kozon: 80 Prozent der Dänen gehören der lutherischen Staatskirche an. Aber auch die lutherische Kirche leidet daran, dass der Glaube sich nicht mehr im Leben des einzelnen Christen durchsetzt. Das Christentum als solches erlebt deshalb einen schwindenden Einfluss auf das Gesellschaftsleben. Dänemark ist mittlerweile ein sehr stark säkularisiertes Land. Und doch gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, die sich vermehrt für Glaube und Spiritualität interessieren. Es ist heute wieder viel einfacher, über Glaubensfragen zu sprechen, als noch vor einem Jahrzehnt, wo es fast tabu war.
Frage: Wie groß ist der Anteil der Einwanderer in der katholischen Kirche in Dänemark?
Kozon: Das ist schwer zu schätzen. Aber allmählich würde ich sagen, dass über 50 Prozent der Katholiken entweder Einwanderer oder deren Nachkommen sind.
Frage: Woher kommen die Einwanderer und welche Rolle spielen sie in der Kirche?
Kozon: Die meisten Einwanderer kommen aus Polen, sehr viele aus Vietnam, aus Sri Lanka, aus dem Nahen Osten. Es gibt allerdings auch viele von den Philippinen und aus Litauen. Durch die Einwanderer ist die katholische Kirche in Dänemark in den letzten Jahrzehnten gewachsen. Viele kleinere Gemeinden, besonders in der Provinz, wären heute ohne Einwanderer, ausgestorben. Sie stellen uns aber auch vor Herausforderungen. Die Einwanderer kommen in eine neue, andere Umgebung, mit den vorher erwähnten Gefahren für ihr Glaubensleben. Leicht passen sie sich der nichtgläubigen Umgebung an. Und die altansässigen Gemeindemitglieder sind angefragt, weil sie durch die Einwanderer oftmals zur Minderheit werden.
Frage: Wie sieht die finanzielle Situation der katholischen Kirche in Dänemark aus?
Kozon: Schlecht. Dänemark und Finnland sind die einzigen Länder in Nordeuropa, in denen die katholische Kirche überhaupt keine Unterstützung durch den Staat bekommt. Wir versuchen deshalb unseren Mitgliedern bewusst zu machen, dass die Kirche auch materielle Unterstützung braucht. Das ist harte Arbeit. Die Kirche finanziell zu unterstützen, gründet auf Freiwilligkeit, und so empfinden viele keine Verpflichtung. Viele Emigranten kennen beispielsweise die Tradition der Kirchensteuern nicht. Aber wir brauchen das Geld, um die Priester zu besolden und die Gebäude Instand zu halten. Wir sind deshalb sehr dankbar über die Unterstützung aus Deutschland. Vieles könnten wir ohne die Hilfe des Bonifatiuswerkes nicht durchführen. Wir sind den Spendern in Deutschland überaus dankbar.