Kohlgraf zur Kommunion: Leute stimmen mit den Füßen ab
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf mahnt im Kommunionstreit zu einem realistischen Blick auf die Situation. Die gelebte Praxis der Interkommunion kommentierte er gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag) mit den Worten: "Die Leute stimmen mit den Füßen ab." Zugleich warnte Kohlgraf davor, die Entwicklung tatenlos zu beobachten. "Ich bin der Letzte, der sagt: 'Gut, dann laufen wir halt hinterher.' Aber umgekehrt frage ich mich: Denken wir eigentlich, wir müssten den lieben Gott beschützen, indem wir bestimmen, wer zur Kommunion gehen darf und wer nicht?"
Kohlgraf: Minderheit der Bischöfe darf nicht das Gesicht verlieren
Kohlgraf äußerte sich im Interview zum anhaltenden Streit deutscher Bischöfe über den gemeinsamen Kommunionempfang konfessionsverschiedener Ehepaare. Auch vor dem Hintergrund der jüngsten Gespräche im Vatikan hoffe er auf eine baldige Beilegung. "Der Papst erwartet von uns eine 'möglichst einmütige' Haltung", betonte er. Das sei nicht das Gleiche wie "Einstimmigkeit", sondern verlange, "dass wir über unsere Handreichung noch einmal so diskutieren, dass die Minderheit nicht das Gesicht verliert, aber auch keinem der anderen mehr das Katholischsein abspricht."
Die Bischöfe hatten sich im Februar mit Dreiviertel-Mehrheit auf die bislang noch unveröffentlichte Handreichung geeinigt. Sie soll nichtkatholischen Ehepartnern in Einzelfällen den Kommunionempfang erlauben. Sieben Bischöfe mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki an der Spitze baten daraufhin schriftlich den Vatikan um Klarstellung, ob eine solche Regelung von einer Bischofskonferenz beschlossen werden kann. Der Vatikan verwies den Konflikt an die deutschen Bischöfe zurück.
Linktipp: Marx zum Kommunionstreit: Der Ball liegt bei uns
Wer entscheidet darüber, wie der Kommunionstreit gelöst werden soll? Nach einem Gespräch deutscher Bischöfe im Vatikan gab es dazu unterschiedliche Interpretationen. Doch für Kardinal Marx ist die Sache klar.Mit Blick auf die Position Woelkis und dessen Mitunterzeichner sagte der Bischof von Mainz: "Wir müssen heraus aus dieser Logik der Unterstellung und des Verdachts, die so tut, als wäre die Mehrheitsposition lehramtlich nicht mehr in der Spur." Er fühle sich "persönlich getroffen", so Kohlgraf, "wenn der Brief der sieben Bischöfe nach Rom davor warnt, durch mein Votum, zusammen mit der Mehrheit meiner Mitbrüder, gerieten die Substanz des Glaubens und die Einheit der Kirche in Gefahr. Wenn ich den Papst richtig verstehe, dann sieht er diese Gefahr nicht."
Solle es trotz aller Diskussionen bei einem Dissens der Bischöfe bleiben, stünde es nach den Worten Kohlgrafs jedem Bischof frei, die Handreichung für sein Bistum in Kraft zu setzen. "Ich fände es dann aber auch spannend zu sehen, was passiert, wenn in Köln etwas anderes gilt als in Aachen. Ich bin sicher, das Unverständnis würde noch größer und auch der Unmut darüber, wie es in unserer Kirche läuft", so Kohlgraf, der vor seiner Ernennung zum Bischof als Pastoraltheologe an der Katholischen Hochschule Mainz lehrte. "Ich höre die Menschen doch schon jetzt sagen, 'wir können nicht mehr ernst nehmen, was ihr Bischöfe da macht'."
Mainzer Bischof kritisiert Folgen des bayerischen Kreuz-Erlasses
Im Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" stärkte Kohlgraf auch dem Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, in der bayerischen Kreuz-Debatte den Rücken. Marx hatte den Beschluss der bayerischen Landesregierung, in allen Behörden Kreuze aufzuhängen, kritisiert, da dieses Vorgehen die Gesellschaft spalte. "Ich sehe jetzt die Folgen von Söders Beschluss", sagte Kohlgraf nun. "Mich erreichen ausschließlich Reaktionen von der Art, 'Gottseidank zeigt's mal einer diesen Muslimen und den Gottlosen'. Und das ist genau der Punkt, warum ich mich gegen das Vorgehen in Bayern wehre."
Der Beschluss der Regierung von Markus Söder (CSU) könne noch so gut gemeint sein, "die Wirkung ist ausgrenzend und abwertend. Das aber ist sicher nicht die Botschaft des Kreuzes", so Kohlgraf. "Als Bischof sorge ich mich auch um die Gesellschaft als ganze und ihren Zusammenhalt. Und da kann es nicht sein, dass unter Zuhilfenahme des Kreuzes die Feindbilder größer, die Töne aggressiver und die Risse tiefer werden - bis hin zur Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft." (kim/KNA)