Justizministerin und Humanisten empört über Aussage des Kurienerzbischofs

Kritik an Nazi-Vergleich

Veröffentlicht am 02.02.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller
Bild: © KNA
Gerhard Ludwig Müller

Berlin ‐ Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und der Humanistische Verband Deutschlands haben die Pogrom-Äußerung des deutschen Kurienerzbischofs Gerhard Ludwig Müller kritisiert. "Vergleiche mit dem Holocaust sind geschmacklos, wenn es um unterschiedliche Auffassungen in unserer Gesellschaft zu aktuellen Fragen wie auch der Rolle der Ehe, Familie und eingetragenen Lebenspartnerschaften geht", sagte die Ministerin der "Welt am Sonntag", wie die Tageszeitung in Berlin vorab meldete.

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Zuvor hat sich bereits der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) empört über die Wortwahl des Präfekten der Römischen Glaubenskongregation gezeigt. Leutheusser-Schnarrenberger ist Mitglied im HVD-Beirat. Die katholische Kirche, sagte die FDP-Politikerin im Gespräch mit der Zeitung, müsse sich drängenden Problemen stellen und könne sich nicht durch "Verweis auf vermeintliche Sonderstellung ihrer Verantwortung entziehen".

Müller kritisiert mediale "Attacken" gegen Kirche

Müller, Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, hatte in einem von der Tageszeitung "Die Welt" am Samstag veröffentlichten Interview eine aufkommende "Pogromstimmung" gegen die katholische Kirche beklagt . Gezielte Diskreditierungskampagnen gegen die katholische Kirche in Nordamerika und auch in Europa, so der vormalige Regensburger Bischof, ließen eine "künstlich erzeugte Wut" wachsen, "die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung" erinnere. In Blogs und auch in Fernsehbeiträgen, so Müller weiter, würden "Attacken gegen die katholische Kirche geritten, deren Rüstzeug zurückgeht auf den Kampf der totalitären Ideologien gegen das Christentum".

Die Humanisten betonten, öffentliche Kritik an der katholischen Kirche sei auch dann erlaubt, wenn sie hart formuliert werde. Als "empörende Tatsachenverdrehung" wies der HVD-Vizepräsident Helmut Fink am Freitagabend die Klage Müllers zurück.

Die Vergleiche Müllers zeigten wieder einmal, "wie fremd der römischen Kirche die Werte der Aufklärung und der offene Umgang mit Kritik auch heute noch sind", wird Fink in einer vom HVD in Berlin verbreiteten Pressemitteilung zitiert. Für Kritik an der Kirche den Vergleich mit einer Pogromstimmung heranzuziehen, so der HVD-Vize, sei "schlicht eine Beleidigung für die Opfer tatsächlicher Pogrome".

Humanisten: Kirchenkritik kommt von enttäuschten Gläubigen

Müller sei für "seine Neigung zu abseitigen und diffamierenden Äußerungen" bekannt, sagte Fink. Durch sein neues Amt in Rom habe er jetzt "offenbar endgültig jeden Sinn für die Spielregeln in der modernen Gesellschaft verloren". Die wachsende Kritik an der Kirche und die Empörung über das Handeln von Bischöfen und Priestern, so der HVD-Vizepräsident, komme maßgeblich von enttäuschten Gläubigen und somit aus den eigenen Reihen. Fink: "Mit seinen Vergleichen und Umdeutungen entwürdigt der Präfekt der Glaubenskongregation nicht nur die Opfer der Vergangenheit, sondern auch die noch lebenden Opfer der Missstände und Verfehlungen in der Kirche." (luk/KNA)