Letzte Ruhe im Vatikan
Willy gehörte zum Inventar. Seit 30 Jahren war der gebürtige Antwerpener auf den Straßen im Schatten des Petersdoms zu hHause. Warum er kam, weiß man nicht. Vielleicht wurde er, wie so viele andere, irgendwann einfach aus der Bahn geworfen und von der Sonne nach Rom gelockt.
Als "sehr liebenswerten Mann", der seine "tägliche Mission" erfüllt habe und "niemandem irgendwie zu nahe getreten" sei, so beschrieb ihn der Direktor des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, Stefan Heid, gegenüber "Radio Vatikan". Seine tägliche Mission: Die bestand darin, Pilger und Touristen zur Beichte aufzurufen. An den Kolonnaden auf dem Petersplatz - dort, wo die Leute vor der Sicherheitsschleuse warten - stand auch Willy täglich und rief: "Confessare, confessare" zu Deutsch "Beichtet, beichtet".
Wenn er nicht hier zur Buße aufrief, war er vor der Sankt-Anna-Pforte zu finden, dem Haupteingang zur Vatikanstadt. Vermutlich haben die meisten Leute vor der Sicherheitsschleuse allenfalls bereut, nicht früher aufgestanden zu sein, weil sie die lange Warteschlange nervte. Doch das focht Willy offenbar nicht an. Er kam immer wieder.
"Er war eine ganz offene Persönlichkeit und hatte viele Freundschaften geschlossen", sagte der Pfarrer der vatikanischen Gemeinde Sankt Anna, Bruno Silvestrini "Radio Vatikan". Viele, auch Priester hätten ihm hin und wieder Essen gebracht. Er habe mit den Jugendlichen über Gott und über den Papst geredet und sie eingeladen, zur Messe mitzukommen.
Täglicher Messbesuch im Vatikan
Bevor Herteleer die Leute zur Beichte aufrief, besuchte er jeden morgen um sieben Uhr selbst den Gottesdienst in der vatikanischen Pfarrkirche Sankt Anna, direkt hinter der Sankt-Anna-Pforte rechts.
Deshalb kam überhaupt nur heraus, dass Willy am 12. Dezember verstorben war. Pfarrer Silvestrini wunderte sich, dass sein Schützling so lang nicht mehr zur Messe gekommen ist und stellte Nachforschungen an. So stieß er auf jenen unbekannten Toten, der schon seit Tagen in der Leichenhalle lag. Willy war im Dezember unweit des Vatikan auf der Straße zusammengebrochen und anschließend in das römische Krankenhaus Santo Spirito gebracht worden war, wo er verstarb. Er hatte schon früher immer wieder über Herzprobleme geklagt.
In ersten Berichten hieß es, der Papst habe die Beerdigung persönlich genehmigt. Das war nicht der Fall. Franziskus, als Bewohner des Gästehauses Santa Marta ein Nachbar, musste gar nicht zustimmen. Darüber zu entscheiden, wer auf dem Campo Santo begraben wir, ist allein Sache der Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes, der Eigentümerin. Wie der Rektor des Campo Santo, Hans-Peter Fischer, "Radio Vatikan" sagte, kam die Anfrage von einem Mitglied der Erzbruderschaft.
Um dem Obdachlosen die letzte Ruhe zu ermöglichen, mussten die Statuten allerdings großzügig ausgelegt werden: Denn eigentlich ist der Campo Santo Mitgliedern der Erzbruderschaft sowie bestimmter Ordenshäuser aus dem deutsch-flämischen Sprachraum vorbehalten. "Eine Passage in den Statuen besage jedoch, dass auch Pilger aus dem deutschen, flämischen, niederländischen Sprachraum hier bestattet werden können", erklärte Fischer. Und die Erzbruderschaft befand:
Herteleer war ein Pilger gewesen, "ein langer Pilger" eben, wie Fischer sagt. Die Kosten für das Begräbnis übernahm nach Angaben von Radio Vatikan eine deutschsprachige Familie.
Auch wenn der Papst nicht persönlich eingegriffen hat: Die Entscheidung der Erzbruderschaft war "sicher in seinem Sinne", wie Fischer sagt. Franziskus hat seit seinem Amtsantritt viel für die zahlreichen Obdachlosen in Rom getan: Die Eröffnung der Duschen und eines kostenlosen Friseursalons unter den Kolonnaden hat Herteleer nicht mehr miterlebt.
Doch den päpstlichen Almosenverwalter, Erzbischof Konrad Krajewski, der sich am späten Abend regelmäßig aufmacht, um Obdachlose in sozialen Brennpunkten mit dem Nötigsten zu versorgen, dürfte er noch kennengelernt haben. Zuletzt verteilten rund 100 Obdachlose auf dem Petersplatz gemeinsam mit anderen Freiwilligen im Auftrag des Papstes ein kleines Büchlein mit dem Einmaleins des Glaubens. "Wie immer sind auch heute die Bedürftigen diejenigen, die uns einen großen Reichtum bringen". So wie Willy Herteleer.
Von Thomas Jansen (KNA)