Kirche und Politik würdigen Richard von Weizsäcker

Mann des Dialogs

Veröffentlicht am 31.01.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Bonn/Berlin ‐ Vertreter aus Kirche, Gesellschaft und Politik haben den verstorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker gewürdigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, bezeichnete das ehemalige Staatsoberhaupt als herausragende politische Persönlichkeit. "Richard von Weizsäcker war der Bundespräsident der deutschen Einheit", sagte Marx laut einer Mitteilung der DBK. Von Weizsäcker war am Samstag im Alter von 94 Jahren verstorben .

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"Er ist auf die Menschen zugegangen, um ihre Hoffnungen und Ängste der Wiedervereinigung zu verstehen: So konnte er Politik und Gesellschaft Hinweise geben, die Menschen auf dem Weg der Versöhnung mitzunehmen", so Marx weiter. Dem Altbundespräsidenten sei besonders die Verständigung auf dem europäischen Kontinent ein Herzensanliegen gewesen. "Wo der Dialog nicht funktionierte, hat er Gesprächsmöglichkeiten eröffnet", sagte Marx.

Als Präsident des Evangelischen Kirchentages und als Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sei Richard von Weizsäcker auch die Ökumene ein Anliegen gewesen.

Kardinal Reinhard Marx, Porträt
Bild: ©KNA

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Für ihn war das gemeinsame Suchen der Kirchen nach gesellschaftlichem Engagement von Bedeutung, so der DBK-Vorsitzende. "Wer dem früheren Bundespräsidenten begegnete, spürte das Anliegen des Verstorbenen: Er wollte das christliche Erbe unseres Landes lebendig halten."

Ein gesegnetes Leben

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte am Samstag in Meißen, voll Dankbarkeit blicke die EKD auf dessen Leben zurück, "auf dem so viel Segen gelegen hat und von dem so viel Segen ausgegangen ist". Für ihn persönlich und für die evangelische Kirche sei von Weizsäcker eine der eindrucksvollsten Personen der Zeit gewesen. Mit einem gemeinsamen Gebet hätten die Leitenden Geistlichen und der Rat der EKD auf ihrer Begegnungstagung des Politikers gedacht.

In seinem großen Engagement für Versöhnung und in seinem mutigen Umgang mit der Schuld habe von Weizsäcker als Protestant Impulse des christlichen Glaubens eindrucksvoll in die Welt getragen, betonte der EKD-Ratsvorsitzende. "In seiner Person hat die Kirche ausgestrahlt, wovon sie spricht." Zugleich erinnerte Bedford-Strohm an von Weizsäckers Wirken als Mitglied im Präsidium des Kirchentages und als dessen Präsident, als EKD-Synodaler und Ratsmitglied der EKD sowie im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen. 2009 war von Weizsäcker mit der Luther-Medaille der EKD für seine besonderen Verdienste um den deutschen Protestantismus ausgezeichnet worden.

Stellungnahme von Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, zum Tod Richards von Weizsäckers.

Die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, nannte Weizsäcker einen Staatsmann, der den "lähmenden Dunst des Selbstunbewusstseins, der Verdrängung und der Verlogenheit aus der Erinnerungskultur entfernt hat". Dadurch habe er den Blick und den Weg frei gemacht, für einen selbstkritischen, offenen und ehrlichen Umgang mit der deutschen Geschichte.

"Als eine der wichtigsten und geachtetsten Persönlichkeiten" Deutschlands bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den verstorbenen Staatsmann. Mit seinem großen Intellekt und seiner Redebegabung habe er sich in den Dienst des Landes gestellt und "Maßstäbe gesetzt", sagte Merkel am Samstag in Berlin.

Gelebte Werte, persönliche Integrität

Die Bundesrepublik verdanke von Weizsäcker richtungsweisende Reden, fügte Merkel hinzu. Dahinter hätten stets "gelebte Werte und hohe persönliche Integrität" gestanden und das sei auf der ganzen Welt so wahrgenommen worden. Seine klaren Worte vom "Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" am 8. Mai 1985 im Gedenken an 40 Jahre Kriegsende hätten dem deutschen Selbstverständnis eine neue Richtung gegeben.

Laut Bundestagspräsident Norbert Lammert werde die Amtszeit von Weizsäckers "unvergessen" bleiben. "Als erster Bundespräsident im geeinten Deutschland gelang es Richard von Weizsäcker die unterschiedlichen Befindlichkeiten der Menschen in Ost und West zu erkennen und zusammenzuführen", heißt es in Lammerts Kondolenzbrief. Er habe "wegweisende Worte im Umgang mit der selbst erlebten Geschichte gefunden", schreibt Lammert weiter. Von Weizsäckers Verständnis einer aufgeklärten, reflektierten politischen Kultur werde weiterwirken.

Bundespräsident Joachim Gauck hatte seinen Vorgänger zuvor bereits als "Zeugen des Jahrhunderts" gewürdigt. "Wir verlieren einen großartigen Menschen und ein herausragendes Staatsoberhaupt. Richard von Weizsäcker hat das Amt des Bundespräsidenten auf bleibende Weise geprägt", schrieb Gauck in einem Kondolenzschreiben an von Weizsäckers Witwe Marianner. (som/KNA)

(31.01.2015, 17:30 Uhr: ergänzt um das Statement von Bundeskanzlerin Angela Merkel; 17:50: ergänzt um das Statement von Bundestagspräsident Norbert Lammert)

Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985

Zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges hat Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 eine viel beachtete Rede gehalten. Den Tag des Kriegsendes bezeichnete von Weizsäcker als einen "Tag der Befreiung". "Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft", sagte er damals vor dem deutschen Bundestag in Bonn. Die vollständige Ansprache können Sie hier nachlesen.