Kardinal über die Grenzen der politischen Debatte

Marx: Für Christen gibt es "rote Linien"

Veröffentlicht am 16.01.2017 um 08:50 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Reinhard Marx im Porträt
Bild: © KNA
Politik

Nürnberg ‐ Kardinal Reinhard Marx sagt: Nicht jede Form des politischen Engagements ist mit dem Glauben vereinbar. Er nennt genaue Kriterien, wann eine Grenze erreicht ist.

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat "rote Linien" für Christen in der politischen Auseinandersetzung formuliert. Diese seien erreicht bei "Ausländerfeindlichkeit, Verunglimpfung anderer Religionsgemeinschaften, bei einer Überhöhung der eigenen Nation, bei Rassismus, Antisemitismus, bei Gleichgültigkeit gegenüber der Armut in der Welt", sagte Marx den "Nürnberger Nachrichten" (Montag). Auch komme es auf die Art des Umgangs miteinander an. "Wo grob vereinfacht wird, wo Parolen zur Feindschaft beitragen - da kann ein Christ eigentlich nicht dabei sein."

Marx sieht Grenzen des politischen Engagements für Christen

Der Erzbischof von München und Freising wurde gefragt, ob es hinsichtlich der Meinungsvielfalt in Kirchengemeinden eine Trennlinie zur AfD gebe. Marx sagte dazu, grundsätzlich müsse jede Auseinandersetzung inhaltlich geführt werden. Für Christen gebe es eine gewisse Bandbreite des politischen Engagements, aber auch Grenzen. Letztlich jedoch bestimmten Parteien durch Personen und Programme ihre Nähe zur Kirche.

AfD-Wahlplakat
Bild: ©dpa

Ein Wahlplakat der AfD.

Mit Nachdruck warnte Marx in Deutschland vor der Übernahme von Methoden aus dem jüngsten Wahlkampf um die US-Präsidentschaft. "Wenn etwa über Kurznachrichten auf Twitter große Politik gemacht wird, da setze ich doch große Fragezeichen." Dies sei nicht der öffentliche Diskurs, der weiterführe. So stelle er sich die Öffentlichkeit der Zukunft nicht vor. Der Kardinal rief zu "verbaler Abrüstung" auf: "Man darf nicht den Stil von Scharfmachern und Fundamentalisten übernehmen". Erfolg könne man auch mit Sachlichkeit und Respekt haben.

"Die Demokratie braucht eine sachliche Debatte, die davon geprägt ist, dass wir uns für den Anderen und für dessen Meinung interessieren", so der Kardinal. Dazu könne die Kirche in ihren Pfarreien und Institutionen durchaus einen Beitrag leisten. Kirchenverantwortliche sollten jedenfalls mithelfen, "Räume zu schaffen, wo man mit Respekt und Offenheit miteinander umgeht und Konflikte fair austrägt".

In den Interview äußert sich Marx auch zur Ökumene und sagte, er glaube an ein absehbares Ende der Kirchentrennung. "Ich hoffe schon, dass ich diese Einheit der Kirche noch erlebe", so Marx. Dabei könne es aber keine "Ökumene des kleinsten gemeinsamen Nenners geben". Unterschiedliche katholische und evangelische Traditionen seien auch eine Bereicherung. Einheit bedeute nicht, diese einfach aufzugeben.

Marx hofft auf Einheit der Kirchen

Vielfalt als Bereicherung zu sehen, sei auch ein wichtiges Signal an die moderne pluralistische Gesellschaft, betonte Marx. "Schaut, da arbeiten zwei eng zusammen, die lassen sich nicht spalten, die kommen wunderbar miteinander aus, obwohl sie auch verschieden sind."

Der Kardinal fügte hinzu, er hoffe, dass der 600. Jahrestag der Reformation in 100 Jahren als "vereinte Kirche" gefeiert werde. Die Zeiten, in denen sich Christen in Deutschland gegenseitig verletzt hätten, sollten endgültig vorbei sein. Auf dem "Weg der sich immer mehr annähernden Freundschaft" sei schon viel erreicht worden, auch wenn es noch manches Trennendes gebe. (gho/KNA)