Marx: Google will nur mit dem Papst sprechen
Man kennt sie, die üblichen Definitionen, um die ökonomische Übermacht zu beschreiben, die Facebook, Google, Microsoft und Apple mittlerweile erreicht haben: Die vier sind an der Börse 800 bis 900 Milliarden Euro mehr wert als alle Dax-Konzerne zusammengenommen. Mit diesem Vergleich argumentierte auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, am Dienstag vor den Teilnehmern des zweiten katholischen Medienkongresses in Bonn.
Eine neue, unkonventionelle, und zumindest für katholische Nichtaktionäre nachvollziehbarere Definition bot hingegen Kardinal Reinhard Marx. Im Gespräch mit Höttges kommentierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Stellung von Facebook und Co. mit den Worten: "Die führen sich auf wie eine Regierung. Die wollen ja nur noch mit dem Papst sprechen und nicht mit einem Kardinal", sagte er. Ob seine Empörung dabei nur gespielt war, blieb offen. Papst Franziskus hatte im Januar 2016 Google-Chef Eric Schmidt und im August desselben Jahres Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu Privataudienzen im Vatikan empfangen.
Wie viel Regulierung braucht der Wettbewerb?
Marx und Höttges stritten zum Abschluss des Kongresses, der unter dem Titel "Es ist erst der Anfang…" stand, vor rund 300 Zuhörern über die Digitalisierung und ihre Folgen. Der frühere Sozialethik-Professor Marx brach hierbei eine Lanze für den freien und fairen Wettbewerb. Im Namen der katholischen Soziallehre forderte er ein Weltkartellamt, um dem ungezügelten Treiben der Internetkonzerne Einhalt zu gebieten. "Wir brauchen ein System von Verantwortlichkeiten und Ordnungen", hob Marx hervor. Wettbewerbsregeln seien notwendig, um ein "immer Mehr" von Wenigen zu verhindern.
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Höttges hingegen gab den Deregulierer. Der Telekom-Chef beklagte, dass in Europa die vielen Vorschriften, die zudem noch in jedem Land unterschiedlich seien, die technische Innovation behinderten. In Europa fehle den Menschen das spielerische Element der Amerikaner. Man sehe immer nur die Gefahren, statt einfach mal etwas auszuprobieren. Er würde sich die Stimme der Kirche in der Debatte über die Digitalisierung und ihre Folgen durchaus noch lauter wünschen, sagte Höttges. Nur müsse man eben erstmal überhaupt etwas ausprobieren.
Liest der Telekom-Chef kirchliche Papiere?
Auf die Frage der Moderatorin Christiane Florin, warum denn die Amerikaner und nicht die Telekom Whatsapp entwickelt hätten, antwortete Höttges: "Wir hätten das gar nicht gedurft." Der Konzernchef untermauerte seine These mit dem Hinweis, dass gemeinsame Anstrengungen der europäischen Telekommunikationskonzerne an den Kartellgesetzen gescheitert seien. Ein Weltkartellamt wäre auch aus seiner Sicht begrüßenswert, so Höttges. Doch das sei völlig unrealistisch, so lange sich nicht einmal die G20-Staaten darauf verständigen könnten, sich gegenseitig nicht auszuspähen.
Zum Abschluss einer pointierten Debatte stellte die Journalistin Florin eine Frage, die sich so mancher angesichts der wirtschaftsethischen Textproduktion beider Kirchen stellt: Ob Höttges denn solche kirchlichen Papiere, in denen es stets heiße, der Mensch stehe immer im Mittelpunkt, überhaupt lese, oder ob das nur Deko sei. Der Telekom-Chef wollte das Klischee des eiskalten Unternehmenslenkers, der nur am Profi orientiert ist, nicht auf sich sitzen lassen. Man pflege bei der Telekom den interdisziplinären Dialog und da gehöre auch die Ethik dazu. So ziehe er sich etwa mit Führungskräften des Unternehmens in ein bayerisches Kloster zurück, um dort mit dem früheren Benediktinerprimas Notker Wolf über solche Themen zu sprechen.
Kardinal Marx gestand ein, dass er sich früher Illusionen hingegeben habe. Vor 10 Jahren, als er das erste Mal ins Silicon Valley gefahren sei, habe auch er daran geglaubt, dass das Internet zu einer größeren Demokratisierung und mehr Teilhabegerechtigkeit führe. Aber das sei "natürlich ein völliger Denkfehler" gewesen. "Das ist pure Ideologie, genauso wie der Traum von der klassenlosen Gesellschaft."