Marx: Viele Katholiken wollen Abschottung
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx beklagt, auch Katholiken in Europa seien für eine Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Die Spaltungen über den Umgang mit Migranten beträfen nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaften der europäischen Staaten, sagte Marx am Mittwoch in einem Interview des italienischen Pressedienstes SIR.
"Auch die Kirche hat erfahren müssen, dass es in den verschiedenen Ländern auseinandergehende Meinungen über die Aufnahme von Flüchtlingen gibt", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Dies sei umso schmerzhafter, "als die Haltung des Papstes in dieser Frage vollkommen eindeutig ist". Kritiker hatten etwa der Polnischen Bischofskonferenz vorgeworfen, dass sie beim Thema Flüchtlinge der restriktiven Position der Regierung in Warschau näher stehe, als der Haltung des Papstes.
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Die Migration dürfe in Europa nicht einige Länder gleichgültig lassen, während andere die Last trügen, sagte Franziskus vor dem Diplomatischen Corps. Doch auch an die Flüchtlinge stellt er Forderungen. (Artikel vom Januar 2017)Zugleich forderte Marx "langfristige politische Lösungen" auf europäischer Ebene angesichts der großen Migrationsbewegungen. Die gegenwärtig insgesamt vergleichsweise niedrigen Flüchtlingszahlen dürften nicht von dieser Aufgabe ablenken.
Marx: Krise Europas ist auch eine Chance
Weiter äußerte sich Marx zur gegenwärtigen Krise der EU. Angesichts der zahlreichen Krisen der vergangenen Jahrzehnte habe man zwar zu oft davon gesprochen, dass solche Negativphasen auch eine Chance sein könnten, "aber in der aktuellen Situation Europas scheint dies tatsächlich zutreffend zu sein". Europa müsse sich nun entscheiden, welche Richtung es einschlagen wolle, wie es zu den EU-Verträgen stehe, und wie es deren Vorgaben künftig verwirklichen wolle, sagte Marx, der zugleich Vorsitzender der Kommission der Bischofskonferenzen der EU (COMECE) ist.
Der Kardinal warb für die EU. Sie sei der beste Rahmen um die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Globalisierung zu meistern. Es sei gut, wenn die europäischen Staaten sich bewusst darüber seien, dass der gemeinsame Weg der beste sei. Aber es müsse auch konkret geprüft werden, ob die Staaten auch bereit seien, die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Anlass des Interviews war der 60. Jahrestag der Unterzeichnung der römischen Verträge am 25. März 1957. SIR ist der Pressedienst der Italienischen Bischofskonferenz. (luk/KNA)