Koalition will Familienpflegezeit ausbauen

Mehr Zeit für Pflege

Veröffentlicht am 14.10.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Berlin ‐ Arbeitnehmer sollen ab Januar zehn Tage lang eine bezahlte Auszeit nehmen können, wenn sie kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren müssen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen, wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) am Dienstag in Berlin ankündigte. Auch bislang konnten Berufstätige eine Auszeit für die Pflege nehmen, allerdings ohne Lohnausgleich.

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"Vor allem die Frauen erleben die Doppelbelastung: Einerseits im Job gefordert zu sein - vielleicht nach der Erziehung der Kinder - und jetzt wird die Mutter, jetzt wird der Vater pflegebedürftig", sagte Schwesig. Um den kurzfristigen Lohnersatz finanzieren zu können, sollen rund 100 Millionen Euro bereitgestellt werden, finanziert über die Pflegeversicherung. Zuvor hatten die "Passauer Neue Presse" und der "Kölner Stadt-Anzeiger" über die Pläne berichtet. Wenn dem Gesetz zugestimmt wird, erhalten Betroffene eine finanzielle Leistung von bis zu 67 Prozent ihres Bruttoeinkommens.

Darüber hinaus soll es laut Schwesig einen Rechtsanspruch auf eine unbezahlte Freistellung von sechs Monaten für eine Pflegezeit geben. Wer Angehörige pflegt, könne aber auch für 24 Monate die Arbeitszeit reduzieren, er müsse dann aber mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten. Diese Familienpflegezeit solle auch für die Pflege schwer kranker Kinder oder Schwerstkranker in Hospizen in Anspruch genommen werden können. Dann können Angehörige ihre Arbeitszeit für drei Monate ganz oder teilweise reduzieren.

Zinsloses Darlehen möglich

Der Arbeitnehmer kann für diese Zeiten ein vom Bund getragenes zinsloses Darlehen aufnehmen, das nach Ende der Pflegezeit zurückgezahlt werden muss. Er hat zudem die Möglichkeit, die unterschiedlichen Freistellungsmöglichkeiten auch zu kombinieren, sie dürfen allerdings eine Dauer von 24 Monaten nicht überschreiten.

Bild: ©KNA

Stefan Becker ist seit Oktober 2014 Präsident des Familienbunds der Katholiken in Deutschland.

Zugleich soll das Gesetz auch den Begriff der "nahen Angehörigen" erweitern, wie Schwesig weiter erläuterte. Dazu kommen auch Stiefeltern, Schwager und Schwägerinnen sowie lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften. Dabei müssen diese Gemeinschaften nachweisen, dass sie seit mindestens einem Jahr zusammen wohnen.

Schwesig betonte, das Gesetz biete eine große Flexibilität für die Pflege von Angehörigen. Es soll Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Die bisherige Familienpflegezeit sei nicht angenommen worden. Sie werde derzeit lediglich von 134 Menschen beansprucht. Erwartet werde, dass 2018 rund 7.000 Menschen das Angebot nutzen.

Familienbund fordert Nachbesserungen

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz reagierte mit Lob und Kritik. "Um eine akute Familienkrise zu managen, sind 10 Tage bezahlte Pflegezeit gut", sagte Vorstand Eugen Brysch. Der unbezahlte Rechtsanspruch auf 24 Monate Familienpflegezeit werde jedoch nichts bringen. Die geringe Zahl von 135 Anträgen im vergangenen Jahr zeige, dass nicht der Rechtsanspruch das Problem sei, sondern die alleinige Finanzierung durch den Arbeitnehmer.

Nachbesserungen bei der Familienpflegezeit fordert auch der Familienbund der Katholiken. Präsident Stefan Becker kritisierte, dass pflegende Angehörige die Darlehen vollständig zurückzahlen müssten. "Die Kosten der Pflege werden so praktisch vollständig privatisiert, obwohl Familien hier die Gesellschaft entlasten", sagte er. Auch werde die Gesamtdauer der Freistellung mit 24 Monaten der Wirklichkeit nicht gerecht.

Bundesarbeitsministerin Angela Nahles (SPD) erklärte, Deutschland könne es sich vor dem Hintergrund zunehmender Fachkräfteengpässe nicht leisten, dass pflegende Angehörige vom Arbeitsmarkt abgehängt werden. Die Vorsitzende der Frauenunion der CDU, Maria Böhmer, sprach von einem Schritt nach vorn. Mit dem Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit werde insbesondere die berufliche Existenz von Frauen gesichert.

Die Opposition kritisierte die Pläne als unzureichend. "Die große Koalition springt zu kurz und lässt zugleich die Arbeitgeber bei der Finanzierung außen vor", sagte Sabine Zimmermann von der Linken. Auch die Arbeitgeber reagierten mit Skepsis. "Mit dem vorgesehenen Rechtsanspruch auf eine teilweise Freistellung von der Arbeit für die Dauer von bis zu 24 Monaten wird ein weiterer befristeter Teilzeitanspruch geschaffen, der kostenträchtige und nur schwer handhabbare Regelungen bedeutet", kritisierte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. (som/KNA/dpa)