Michelangelos Jesus hat einen Zahn zu viel
Der Christus in Michelangelos berühmter Pieta im Petersdom hat einen überzähligen Schneidezahn. Darauf wies der römische Kunsthistoriker Marco Bussagli laut Medienberichten (Freitag) bei einer internationalen Paradontologie-Tagung im italienischen Rimini hin. Demnach weist die Marmorskulptur des toten Jesus im Schoß der Jungfrau Maria einen fünften - mittleren - Schneidezahn im Oberkiefer auf. Das Phänomen ist in der Zahnmedizin als Mesiodens bekannt. Warum Michelangelo Buonarroti (1475-1564) Christus damit darstellte, bleibt rätselhaft.
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Bussagli, der an der Akademie der Schönen Künste in Rom lehrt, hatte die Auffälligkeit bereits 2014 in einem Buch ("I denti di Michelangelo" - "Die Zähne Michelangelos") beschrieben. Demnach findet sich ein überzähliger Mittelzahn auch bei verschiedenen Gestalten in der Sixtinischen Kapelle, etwa den Verdammten des Weltgerichts und der Delphischen Sybille, aber auch bei einem Henker in der Kreuzigungsszene der Cappella Paolina und anderen Gestalten Michelangelos.
Anomalie soll auf Unerlöstheit verweisen
Einer Theorie zufolge soll die Anomalie die Unerlöstheit der betreffenden Person symbolisieren. Dann wäre allerdings zu fragen, warum ausgerechnet der christliche Erlöser dieses Merkmal aufweist. Eine Erklärung könnte laut Bussagli in dem Wort des Apostels Paulus liegen, nach dem Christus, "der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht" wurde (2. Korintherbrief 5,21). Das Thema der Sündenverfallenheit wurde zur Zeit Michelangelos von Theologen und Philosophen lebhaft diskutiert, nicht zuletzt durch die Rechtfertigungslehre Martin Luthers und Reaktionen darauf. (KNA)