"Missverständliche Informationen"
In den vergangenen Tagen hatten bereits mehrere evangelische Landeskirchen darauf hingewiesen, dass die Kirchenaustritte in diesem Jahr sprunghaft angestiegen seien. Der Finanzchef der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bernd Baucks, sagte in der "Rheinischen Post", einzelne Kreditinstitute hätten ihren Kunden in Informationen über das neue Einzugsverfahren für Kirchensteuern geraten, "dass sie der Steuer am besten durch Austritt begegnen können".
Offenbar sähen sich viele durch die Informationsschreiben veranlasst, der Kirche den Rücken zu kehren, so Baucks weiter. "Dieser Anstieg ist überdeutlich und man muss wohl annehmen, dass das neue Verfahren neben anderen Faktoren zu dieser 'Welle' beigetragen hat." Das neue Verfahren sieht vor, dass die Banken und Versicherungen die auf Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuern künftig automatisch einziehen. Dazu müssen sie die Religionszugehörigkeit ihrer Kunden erfragen.
Durch die Steuern ist die Kirche frei
Bedford-Strohm unterstreicht dagegen den Nutzen der Kirchensteuer, die er als "einen Segen" bezeichnet. Ohne die Angebote der Kirchen "hätten wir ein kulturell und sozial erheblich ärmeres Land", sagt er. Das sähen sogar Menschen, "die selbst mit Religion nichts anfangen können". In vielen Dörfern machten die Kirchen die einzigen kulturellen Angebote. Ohne die Steuer könnten sie viele Aktivitäten nicht aufrechterhalten. Auch seien Kirchen durch die Steuer unabhängig: "Ich bin sehr dankbar, dass ich durch das Kirchensteuersystem als Repräsentant meiner Kirche in meinen öffentlichen Stellungnahmen befreit bin von Rücksichten auf bestimmte finanziell leistungsfähige Mitglieder oder auf staatliche Akteure."
Dennoch: Den Trend der Kirchenaustritte bestätigten zuletzt auch Stimmen aus der katholischen Kirche. "Nach menschlichem Ermessen wird die Gesamtzahl 2014 höher liegen als 2013", sagte ein Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auch beim Erzbistum Köln sieht man das laut der "Rheinischen Post" so. "Wir müssen von Austritten ausgehen, die durch das neue Verfahren ausgelöst wurden, da wir aus Anfragen schließen, dass manche Kirchensteuerzahler durch die Anfrage der Banken überhaupt erstmals von der Steuerpflicht ihrer Kapitalerträge erfahren haben", sagte ein Sprecher.
Banken weisen Vorwürfe zurück
Vertreter der deutschen Kreditwirtschaft haben die Vorwürfe, für eine Welle an Kirchenaustritten verantwortlich zu sein, unterdessen zurückgewiesen. "Den Vorwurf, wir würden unseren Kunden einen Kirchenaustritt empfehlen, weisen wir nachdrücklich zurück", sagt der Sprecher des Verbandes der Deutschen Kreditwirtschaft der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am Dienstag.
Banken und Sparkassen setzten lediglich Vorgaben des Gesetzgebers technisch um, damit sie die Kirchensteuer auf Kapitalerträge zum 1. Januar 2015 einbehalten könnten. "Das neue Verfahren wurde maßgeblich auf Initiative der Kirchen eingeführt. Die Kreditinstitute sind bei der Anwendung des Verfahrens lediglich durchleitende Instanzen für die Kirchensteuerbeträge von Kunden zugunsten der Kirchen", sagte der Verbandssprecher. Die staatliche Kapitalertragsteuer wird seit 2009 direkt von Banken, Versicherungen und Kapitalgesellschaften an die Finanzämter abgeführt. Ab 2015 wird dieses Verfahren auch für die Kirchensteuer eingeführt.
Sowohl beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken als auch beim Bundesverband deutscher Banken, der private Institute vertritt, hält man den Vorwurf für unglaubwürdig, Banken hätten ihren Kunden den Kirchenaustritt nahegelegt. Weil jedoch jedes Institut auf eigene Faust über das neue Verfahren informieren könne, wolle man auch nichts ausschließen, hieß es auf Anfrage der "Rheinischen Post". Die Verbände jedenfalls hätten eine solche Empfehlung nicht an ihre Mitglieder weitergegeben. (mit Material von KNA)
Von Björn Odendahl