US-Christen nach dem Massaker von Texas

Mit Bibel und Colt in den Gottesdienst

Veröffentlicht am 18.11.2017 um 11:15 Uhr – Lesedauer: 
USA

Washington ‐ Nach dem Massenmord in der Baptisten-Gemeinde von Sutherland Springs wird in den USA über Waffen im Gottesdienst diskutiert. Nicht wenige Pfarrer ermutigen Kirchgänger, ihre Schießeisen mitzubringen.

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Den Auftakt der Debatte machte der Generalstaatsanwalt von Texas, Ken Paxton. "Wir brauchen professionelle Sicherheitskräfte in den Kirchen oder wir müssen unsere Gemeindemitglieder bewaffnen, damit sie reagieren können", forderte der Republikaner unmittelbar nach dem schockierenden Attentat von Sutherland Springs, bei dem am 5. November 26 Menschen ums Leben kamen.

Die Hälfte der Gottesdienstteilnehmer bewaffnet?

Paxtons Vorstoß stieß auf Resonanz. Viele einflussreiche Pastoren, wie Robert Jeffres von der First Baptist Megachurch in Dallas, ermutigen ihre Gemeindemitglieder, neben Gesangbuch und Bibel auch ihre Colts mitzubringen.

Eine Junge und seine Mutter beten auf einer US-Wahlveranstaltung 2012.
Bild: ©dpa/picture alliance

In den USA tobt eine hetfige Debatte um Waffen im Gottesdienst.

Im TV-Programm "Fox & Friends" sagte der Pastor, der während der Amtseinführung auf den Stufen des Capitols mit Donald Trump betete, Angreifer hätten in seiner Kirche keine Chance. Vielleicht könnten diese ein oder zwei Schüsse abfeuern. "Aber das wird das Letzte sein, das sie in ihrem Leben getan haben", meinte Jeffres. Er schätzt, dass bis zu 50 Prozent der 6.000 Gottesdienstteilnehmer schon heute bewaffnet sei.

Katholischer Bischof verbietet Waffen

Der katholische Bischof von Texas, Kevin Farrell, sieht das grundlegend anders. Bereits im vergangenen Jahr untersagte er in den katholischen Gotteshäusern seiner Diözese das Mitführen von Waffen, obwohl der Gesetzgeber in Texas dies grundsätzlich erlaubt. "Das sind Schutzräume, heilige Orte, in denen Menschen beten und an den Diensten der Kirche teilhaben", begründete der Hirte seine Haltung, die von seinen Amtskollegen in der US-Bischofskonferenz geteilt wird.

Die Gläubigen selbst sind nach einer Umfrage der Meinungsforscher von PRRI zwar gespalten, was den Waffenbesitz angeht, aber zu Dreiviertel der Ansicht, das Schießeisen nichts im Haus Gottes zu suchen haben.

Der Pastor der "First Congregational United Church of Christ" in Naperville Illinois, Reverend Mark Winters, brachte nach dem Massenmord vor dem Mandalay Ressort in Las Vegas demonstrativ ein Schild am Eingang seiner Kirche an. "Gott hat Gewehre nicht als sein Ebenbild geschaffen", steht darauf.

An der "Lighthouse Mexico Church of God" im kleinen Örtchen Mexico im US-Bundesstaat New York hängt am Eingang eine Tafel mit einer anderen Botschaft. "Wir sind keine schußwaffenfreie Zone", warnt der Anschlag schwarz auf weiss.

Pastor Ronald Russel erlaubte bereits vor zwei Jahren unter dem Eindruck des Massakers des Rassisten Dylan Roof in einer schwarzen Gemeinde in Charleston, South Carolina, Waffen in seiner Kirche. Dass sich andere darüber aufregen, versteht der evangelikale Prediger nicht. "Wenn ich meine Leute nicht beschütze", so der Gottesmann, "mache ich mich zum Komplizen".

„Wenn ich meine Leute nicht beschütze, mache ich mich zum Komplizen.“

—  Zitat: Pastor Ronald Russel von der "Lighthouse Mexico Church of God".

Die "Lighthouse Mexico Church" geht noch einen Schritt weiter und bietet Selbstverteidigungs-Training an. Wie auch hunderte andere Gemeinden überall in den USA, die ihre Sicherheit verstärken.

"Die Pastoren ziehen endlich den Kopf aus dem Sand", lobt Barry Young, dessen Unternehmen "Strategos International" in Montana sich auf das Training der frommen Kundschaft spezialisiert hat. Landesweit unterwies das "christliche Unternehmen" nach eigenen Angaben rund 20.000 Kirchgänger im Umgang mit Schießeisen. "Ich wünschte wir lebten noch in den 50er Jahren", fügt Young hinzu. "Aber 2017 müssen sich die amerikanischen Kirche ändern."

Gewehre als Tomola-Preise einer Kirchengemeinde

Schwerter zu Pflugscharen ist auch nicht die Devise, die die "Oasis Church of All Nations" in Oxford, Mississippi ausgibt. In einer Gemeinde-Tombola verloste die evangelikale Gemeinde zwei Schnellfeuer-Gewehre vom Typ AR-15 als Hauptpreise. Die Zehn-Dollar-Lose waren der Renner bei der Sanierung der Gemeindekasse. Derselbe Waffentyp übrigens, mit denen die Mörder von Las Vegas und Sutherland Springs ihre Verbrechen verübten.

Von Bernd Tenhage (KNA)