Mit Leidenschaft und ohne Gewalt
Auch die Meinungen der Katholiken des Landes – mit knapp 16 Prozent die zweitstärkste Religionsgemeinschaft – sind gespalten. Und das sei auch gut so, sagen die Bischöfe des Landes, die sich über die Debatte freuen.Überall werde in letzter Zeit über das Referendum diskutiert, sagte der Erzbischof von Saint Andrews und Edinburgh, Leo Cushley, gegenüber Radio Vatikan. Zum ersten Mal seit Generationen setzten sich die Schotten ernsthaft mit ihrer Unabhängigkeit auseinander - mit Leidenschaft und ohne Gewalt, so Cushley. Auch sein Kollege in der Diözese Paisley, Bischof John Keenan, lobte im Papstsender die Debatte um ein "Yes" oder "No" zur Unabhängigkeit als beherzt und fair.
Das Referendum sei eine Art Lackmustest für die Demokratie, was freilich auch mit Risiken verbunden sei, sagte Keenan. Dass das Land sich aufteilt sei zunächst einmal positiv zu bewerten, denn das zeige, "dass die Menschen nachdenken, dass sie nicht einfach beeinflusst werden von ihrer Familie und den Freunden". Zugleich gebe es aber auch eine Unruhe, dass eine Teilung sich zum Negativen wenden könnte, so der Paisleyer Bischof. Wichtig sei, dass die Meinung eines jeden Bürgers auch akzeptiert werde.
Keine Wahlempfehlungen der Bischöfe
Eine Wahlempfehlung an die Katholiken gibt keiner von ihnen ab. Ende August rief Cushley die Edinburgher Gläubigen mit einem Hirtenbrief jedoch zur Abstimmung auf, die er als "Bürgerpflicht" bezeichnete. "Wie auch immer das Referendum ausgeht, ich hoffe, dass alle Katholiken sich weiter positiv in den öffentlichen Diskurs einbringen und sicherstellen, dass die christliche Botschaft und ihre Werte besser bekundet und verstanden werden, zum Wohl der ganzen Gesellschaft", schrieb er.
Auch der Erzbischof von Glasgow, Philip Tartaglia, appellierte an die Stimmberechtigten, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, "in völliger Entscheidungsfreiheit und gemäß ihrem im Gebet erworbenen Urteil, was das Beste für die Zukunft ist". "Möge Gott uns leiten und segnen in jeder Entscheidung, die wir mit gutem Gewissen treffen", fügte er an.
Einfach wird die Entscheidung nicht, denn Gegner wie Befürworter einer Unabhängigkeit Schottlands haben sachliche Argumente (siehe Info-Kasten). Vor allem die Folgen eines möglichen positiven Votums seien noch nicht abzusehen, sondern würden neue Fragen aufwerfen, berichtet der BBC-Gälisch-Korrespondent Michael Klevenhaus: "Wie formen wir diese Selbstständigkeit nun aus?" Bislang sehe es so aus, als würde die Königin weiter auch Königin von Schottland bleiben. Auch die Währung könnte eine gemeinsame Währung bleiben und die Außenpolitik "in gewisser Weise gemeinsam weiter betrieben werden", sagte Klevenhaus.
Ob Schottland im Falle eines "Yes" und damit der Unabhängigkeit weiter zur EU gehören würde, sei momentan unklar, so der BBC-Korrespondent. Doch ähnlich Bestrebungen wie die Großbritanniens, aus der Europäischen Union auszusteigen, gebe es in Schottland nicht. "Die Schotten sind weitaus EU-freundlicher als die Engländer", so Klevenhaus. Und das eher ärmere Land wisse auch genau, wo das Geld herkomme.
Weniger Klassenbewusstsein als in England
Als typisch schottisch bezeichnet Klevenhaus, dass es weit weniger Klassenbewusstsein gebe als in England – ein Mensch werde viel eher an einem guten Gespräch und an seinem Können gemessen als an seinem Titel. Und: Anders als etwa in Nordirland kämen auch alle christlichen Konfessionen "vergleichsweise gut miteinander aus".
Auch Bischof Keenan schätzt es, dass es in Schottland meist friedlich zugehe und es neben der "relativen, finanziellen Sicherheit" auch eine soziale Sicherheit und Stabilität gebe. "Es gibt Bürger, die in der Debatte engagiert sind, aber die nie denken würden, dass Meinungsverschiedenheiten Ursache von Gewalt sein können. Darüber sollten wir dankbar sein", so der Oberhirte. (mit Material von KNA)
Von Agathe Lukassek