Der tief religiös geprägte Komponist Arvo Pärt wird 80 Jahre alt

Mystiker der Moderne

Veröffentlicht am 11.09.2015 um 16:24 Uhr – Von Christoph Strack (KNA) – Lesedauer: 
Kirchenmusik

Tallinn ‐ Ein Komponist, der tief religiös geprägt ist, wird heute 80 Jahre alt: Arvo Pärt. Der estnische Musiker musste deshalb 1980 auf Druck des kommunistischen Regimes nach Deutschland übersiedeln. Inzwischen ehrt ihn sogar der Vatikan.

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Das ist die große Botschaft des Arvo Pärt. Der estnische Komponist, der am Freitag 80 Jahre alt wird, setzt auf die Hör-Wirkung von Musik, auch seiner Musik. Damit ist er ein Grenzgänger - auch damit. Pärt lebt zwischen Ost- und Westeuropa. Er arbeitet mit verschiedenen musikalischen Stilrichtungen, begann zu Sowjetzeiten mit Zwölftonmusik, kam später zur Gregorianik, verstummte für einige Jahre und studierte mittelalterliche Musik.

Und der Este ist, wie vielleicht kein anderer zeitgenössischer Komponist, tief religiös geprägt. Seine Verwurzelung in christlichen Motiven wird im Alter immer deutlicher. Eine seiner jüngsten Arbeiten, ein Chorgesang, trägt den Titel "Drei Hirtenkinder aus Fatima". Mit all dem ist Pärt ein moderner Mystiker.

Spätestens seit seiner - vom damaligen kommunistischen Regime in der Sowjetunion herbeigeführten - Übersiedlung in den Westen 1980 ist er einem breiten Publikum bekannt. Lange lebte Pärt in Berlin; erst nach dem Ende der Teilung Europas kehrte er in seine estnische Heimat zurück.

Biblische Texte und christliche Traditionen

"Worte schreiben die Musik", sagte er einmal - viele seiner Arbeiten nehmen biblische Texte auf. Pärt ist tief in alten christlichen Traditionen und Motiven verwurzelt. Und wenn er doch Werke sogenannter neuer Musik schreibt, so vergisst er nie die reiche Tradition - er nutzt sie, um neue Musik damit zu prägen. Übersetzungsarbeit.

Dabei begann der 1935 in Paide im Zentrum Estlands geborene Pärt nach Schulzeit, Musikschule und einigen Monaten Musikstudium in der Militärmusik. Später arbeitete er als Tonmeister im Rundfunk und erfuhr damit neue Musik, die so gar nicht zu den staatlichen Vorgaben passte. Das beschäftigte ihn. Sein Werk "Nekrolog" von 1960 war das erste in Zwölftontechnik geschriebene Werk in Estland.

In dem 2010 erschienenen Buch "Arvo Pärt - Im Gespräch" nennt der Künstler als einen Grund für seine Hinwendung zur Zwölftontechnik das Streben nach objektiverer, nichtemotionaler, reiner Musik. Und wendet sich dann doch seit 1964 wieder von dieser Technik ab. Als Grund nennt er ein wachsendes Bewusstsein für die "Existenz einer anderen Welt", die eine starke Anziehungskraft auf ihn ausgeübt habe.

Video: © EMTAVIDEO/youtube.com

Das "Salve Regina" von Arvo Pärt.

1968 wird sein Stück "Credo" uraufgeführt - ein Wendepunkt in seinem Leben: Zwölf Minuten einer Konfrontation von avantgardistisch Neuem und Alter Musik, einer Auseinandersetzung mit Johann Sebastian Bach und dessen C-Dur-Präludium. Mit dem gesungenen Vers "Credo in Jesum Christum" ist es Pärts erste öffentliche Stellungnahme zum christlichen Glauben, und sie wirkt als politische Provokation gegen das Regime.

Nach "Credo" von kommunistischer Partei verfolgt

Zusehends wird Pärt von der kommunistischen Partei "abgestempelt und verfolgt". Und zieht sich in ein fast acht Jahre währendes schöpferisches Schweigen zurück. Eine Zeit, in der der mittlerweile der russisch-orthodoxen Kirche zugehörige Pärt sich die Gregorianik erarbeitet, den getragenen kirchlichen Gesang. Er stimmt sogar selbst diese Melodien an. "Ich fing an, jene Melodien zu singen und zu spielen, mit demselben Gefühl, mit dem man sich einer Bluttransfusion unterzieht", erinnert er sich.

Einen Schlusspunkt dieser Lebensphase bildet die Schaffung des Tintinnabuli-Stils (lateinisch "Glöckchen"), mit dem viele Hörer seine Kunst verbinden und der Pärts eigen klingende Mehrstimmigkeit beschreibt. Mit dem neuen Stil einher ging eine Abwendung von der Dominanz der neuen Musik. "Man könnte sagen, dass ich mit mir und Gott ins Reine gekommen war und damit auch alle persönlichen Forderungen der Welt gegenüber in den Hintergrund gerückt waren."

So ist es ein Glücksfall, dass Arvo Pärt Ende 2011 zum Mitglied des Päpstlichen Rates für die Kultur ernannt wurde. Eine eigene Ehrung für seine geistliche Produktivität im Säkularen gewiss. Und das Gespräch zwischen dem Agnostiker Nooteboom und dem Mystiker Pärt, das der 82-jährige Niederländer in der NZZ beschreibt, fand 2009 in der Sixtinischen Kapelle statt. In diese kulturelle Herzkammer des Vatikan hatte Papst Benedikt XVI. Künstler geladen - natürlich folgte Pärt diesem Ruf.

Von Christoph Strack (KNA)