Nach Vorwurf von Ex-Nuntius: Kein Kommentar vom Papst
Papst Franziskus will die Behauptung seines ehemaligen Botschafters in den USA, schon seit Jahren über den Missbrauchsverdacht gegen Kardinal McCarrick gewusst zu haben, nicht weiter kommentieren. Das Dokument von Erzbischof Carlo Maria Vigano spreche für sich. Er werde dazu nichts sagen und vertraue auf die journalistische Kompetenz, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, so Franziskus am späten Sonntagabend auf dem Rückflug von einem zweitägigen Irlandbesuch nach Rom. Wörtlich sagte er auf die entsprechende Frage eines Journalisten zu dem Dossier: "Lesen Sie es selber aufmerksam und bilden Sie sich ein eigenes Urteil."
In dem zuvor veröffentlichten Memorandum hatte Vigano schwere Vorwürfe gegen Papst Franziskus erhoben: Der des Missbrauchs beschuldigte frühere Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick (88) sei bereits 2009 oder 2010 von Papst Benedikt XVI. mit einer Strafe belegt worden, die Franziskus später de facto zurückgenommen habe. Eine Maßregelung McCarricks durch Benedikt XVI. wurde bisher nie öffentlich bekannt. Auch hielt sich McCarrick nicht an solche Auflagen.
Weitgespannte Behauptungen über homosexuelle Netzwerke
Das elfseitige Dokument Viganos enthält auch weitgespannte Behauptungen über homosexuelle Netzwerke und Korruption in der Kirchenleitung. Der "Washington Post" erklärte Vigano inzwischen, dass das Schreiben tatsächlich von ihm stamme. In dem Schreiben mit Datum vom 22. August fordert der Erzbischof den Rücktritt von Franziskus, um allen Kardinälen und Bischöfen, die McCarrick gedeckt hätten, "ein gutes Beispiel" zu geben.
Ähnliche Strafmaßnahmen wie die erwähnten gegen den früheren Erzbischof von Washington (2000-2006) sowie zusätzlich die Rücknahme von dessen Kardinalstitel verfügte Franziskus vor einigen Wochen. Zu diesem Zeitpunkt wurden öffentlich Vorwürfe bekannt, McCarrick habe in früheren Jahren zu jungen Seminaristen sexuelle Beziehungen gehabt. Zudem soll der Geistliche Minderjährige missbraucht haben.
Franziskus hat am Sonntagabend seinen zweitägigen Irlandbesuch beendet. Anlass seiner 24. Auslandsreise war ein katholisches Weltfamilientreffen. Beherrscht wurde die Visite aber von der Debatte über den Umgang mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Am Rande kam es mehrfach zu Demonstrationen von Opfern, die eine Anerkennung der Schuld und Wiedergutmachung forderten.
Auf dem Rückflug forderte der Papst die Gläubigen erneut auf, ihren eigenen Teil zur Bekämpfung von Missbrauch beizutragen. "Wenn jemand etwas sieht oder hört, muss er sofort etwas sagen." Derjenige solle sich aber an jemanden wenden, der kompetent sei, entsprechende Untersuchungen anzustellen, also an staatliche Behörden oder kirchlicherseits an einen Bischof.
"Das ist es, was das Volk Gottes tun kann", so Franziskus. Gefragt worden war er nach einer Bemerkung in seinem "Brief an das Volk Gottes" vom vergangenen Montag. Darin hatte er nicht nur Kleriker, sondern alle Katholiken weltweit gegen Missbrauch in die Pflicht genommen.
Papst: Keine Vorverurteilungen
Daraufhin hatte ein französischer Priester eine Online-Petition für einen Rücktritt des Lyoner Kardinals Philippe Barbarin gestartet. Die Initiative ist von einem an Barbarin gerichteten Schreiben begleitet und hatte innerhalb weniger Tage mehr als 90.000 Unterzeichner gefunden. Barbarin wird Nichtanzeige sexueller Übergriffe vorgeworfen. Er wurde 2017 vor Gericht angehört; die Hauptverhandlung ist nach mehreren Verschiebungen nun für Oktober anberaumt.
Der Papst betonte indes, solche Maßnahmen müssten stets von dem Grundsatz getragen sein, dass ein Verdächtiger solange als unschuldig zu gelten hat, bis eine etwaige Schuld erwiesen ist. Im spanischen Granada, so der Papst, seien verdächtigte Geistliche in einem Fall durch Berichterstattung vorverurteilt worden und hätten erhebliche Anfeindungen erlitten. Das staatliche Gericht habe nach langen Verhandlungen aber geurteilt, dass die Priester unschuldig seien; stattdessen sei ein Mann als Denunziant verurteilt worden. (bod/KNA)