Nachdenkliche Debatte
Es liegen vier Gesetzentwürfe von Abgeordnetengruppen vor (siehe Linktipp), die von einem völligen Verbot der Beihilfe bis zur weitgehende Freigabe reichen. In der nachdenklichen, bisweilen aber auch leidenschaftlichen zweistündigen Debatte ging es vor allem um eine Entscheidung zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung und dem Schutz des Lebens. Einig waren sich alle Redner, dass vor allem die Hospiz- und Palliativmedizin gestärkt werden müsse. Der Bundestag will im Herbst über eine Regelung entscheiden.
Die meisten Unterstützer fand bislang der Entwurf, der die organisierte Suizidbeihilfe verbieten will. Nach den Worten von Mitverfasser Michael Brand (CDU) darf sie nicht zu einem regulären Angebot werden. Sterbende sollten an der Hand und nicht durch die Hand helfender Menschen sterben. Der Antrag suche einen "Weg der Mitte". Das Straffrecht könne nicht jeden Einzelfall lösen.
Kritik am Sterbehilfeverein
Mitunterstützerin Kerstin Griese (SPD) betonte, dass mit dieser Vorlage ärztliche Freiräume erhalten blieben. Sie schaffe aber kein Sonderrecht. Scharfe Kritik übte sie am "Sterbehilfeverein Deutschland", der einen entscheidenden Anlass für die parlamentarischen Initiativen gegeben hatte. Das Geschäft mit dem Tod sei ethisch nicht tragbar, sagte die Parlamentarierin.
Ulla Schmidt (SPD) mahnte zu einem sensiblen Umgang mit dem Thema auch vor dem Hintergrund der Euthanasieprogramme in der NS-Zeit. Katrin Göring-Eckhardt (Grüne) äußerte die Sorge vor einer Gesellschaft, die erwarte, "dass alte Kranke und Hilfsbedürftige ihrem Leben ein Ende setzten".
Hingegen forderte Peter Hintze (CDU) im Sinne des von ihm getragenen Gesetzentwurfs eine ausdrückliche Erlaubnis des assistierten Suizids für Ärzte bei Patienten mit einer zum Tode führenden Krankheit. Die Selbstbestimmung sei der Kern der Menschenwürde und gelte auch am Ende des Lebens. "Leiden ist immer sinnlos, Leiden müssen wir abwenden", so Hintze. Sein Gesetzentwurf wolle Ärzten Rechtssicherheit geben. Karl Lauterbach (SPD) betonte, dass es bei der Regelung um die Menschen gehe, die "Angst vor dem Sterben haben" oder ihren Tod "nicht als würdevoll empfinden". Die Frage sei, was man diesen Menschen anbiete.
Zwischen Straffreiheit und generellem Verbot
Mit einer weiteren Vorlage trat Renate Künast (Grüne) dafür ein, dass die Beihilfe zum Suizid bei Volljährigkeit und freier Willensäußerung straffrei bleiben solle. Finanzielle Interessen müssten aber ausgeschlossen werden, weil das Eigeninteresse die Beratung beeinflusse.
Patrick Sensburg (CDU) forderte hingegen mit dem von ihm getragenen Gesetzentwurf ein generelles Verbot. Der richtige Ansatz sei die Stärkung der Palliativmedizin. Jede Ausnahmeregelung drohe den Lebensschutz aufzuweichen. Hubert Hüppe (CDU) warnte vor einem veränderten Selbstverständnis des Arztes als Suizidhelfer. "Der Arzt stand bisher für die Solidarität der Gesellschaft".
Im November will der Bundestag endgültig über eine gesetzliche Regelung zur künftigen Sterbehilfe entscheiden. Parallel berät er über den Ausbau der Begleitung und Betreuung sterbenskranker Menschen in der Palliativ- und Hospizmedizin.
Bischöfe Algermissen und Schick gegen Beihilfe
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick äußerte sich kritisch zu den Entwürfen, die Suizidbeihilfe auf Dauer erlauben wollen. Der Suizid sei immer eine Entscheidung über wertes und unwertes Leben, auch wenn dies oft bestritten werde, sagte er am Mittwoch in Fürth. Wer sein eigenes Leben beende, halte es nicht mehr für lebenswert.
Linktipp: Ethik am Lebensende
Politik und Gesellschaft diskutieren über die Sterbehilfe. Für die katholische Kirche ist klar: Auch im Sterben hat der Mensch eine Würde, die es zu achten und zu schützen gilt. Sie setzt sich deshalb besonders für eine professionelle Begleitung von Sterbenden ein."Wir müssen als Gesellschaft und Kirchen alles tun, dass auch das Leben von kranken, behinderten und alten Menschen als wertvoll, lebenswert und unantastbar angesehen wird", betonte Schick. Nur zu verurteilen nütze nicht, argumentieren und werben sei notwendig. Wenn es künftig mehr ältere Menschen geben werde, könnte eine Erlaubnis des assistierten Suizids den Druck auf Hilfsbedürftige erhöhen, ihr Leben "freiwillig" zu beenden. Dem gleichen Druck wären dann auch Ärzte ausgesetzt.
Gegen Sterbehilfe und Hilfe zum Suizid wandte sich auch der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen. Kein Mensch habe das Recht, über seinen eigenen Tod zu verfügen, schreibt er in einem Gastbeitrag für seine Bistumszeitung "Bonifatiusbote". "Das geschenkte Leben bis zu seinem Ende zu leben" sei Ausdruck der wahren Selbstbestimmung des Menschen. Algermissen kritisiert die aktuelle Debatte über eine gesetzliche Regelung. Statt objektiv gültiger Werte des Lebensschutzes verweise die Politik auf eine falsch verstandene, individuelle Gewissensfreiheit. Wenn sich der Mensch aber von Gott lossage, führe diese falsche Autonomie zu "selbstzerstörerischer Willkür" bei ethischen Entscheidungen, so der Bischof.
Ärzte favorisieren Brand-Entwurf
Ähnlich wie im Bundestag zeichnet sich auch in der Bundesärztekammer (BÄK) eine Favorisierung des Gesetzentwurfes der Abgeordnetengruppe um Brand ab. BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery sagte der dpa, der Entwurf wolle gewerbsmäßige Sterbehilfe und damit Sterbehilfevereine verbieten. Darüber hinaus solle an der jetzigen Rechtslage nichts geändert werden. Er enge also die Entscheidungsmöglichkeiten der Ärzte nicht ein, sagte Montgomery und fügte hinzu: Den Entwurf um Bundestagsvizepräsident Hintze "finde ich ja deswegen so super gefährlich, weil der letzte Satz, der da drin steht, eigentlich die Öffnung zur Euthanasie ist".
Caritas-Präsident Peter Neher sprach sich für ein klares Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid aus. Eine solche Regelung sei dringend erforderlich, eine Regelung für Ärzte und Pflegende dagegen nicht. Die bisherige Praxis, Menschen im Sterben würdevoll zu begleiten, habe sich bewährt. "Menschen in der letzten Lebensphase brauchen menschliche Zuwendung und eine gute medizinische Versorgung", sagte Neher vor der Bundestags-Debatte. Die zentrale Frage sei, durch welche Rahmenbedingungen eine angemessene Fürsorge am Lebensende gestaltet werden könne.
Die beiden großen Kirchen in Deutschland forderten bereits am Mittwoch gemeinsam den konsequenten Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung sowie ein Verbot der organisierten Formen der Beihilfe zur Selbsttötung. "Diese gesetzliche Regelung sollte für Vereine, sonstige Organisationen und Einzelpersonen, aber auch für Ärzte gelten, die den assistierten Suizid als Behandlungsoption am Ende des Lebens in geschäftsmäßiger Form anbieten", heißt es in der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ohne ein klares gesetzliches Zeichen gegen geschäftsmäßig angebotene Beihilfe zum Suizid befürchteten die Kirchen eine zunehmende Aufweichung des Tötungstabus in der Gesellschaft. (mit Material von KNA und dpa)