Seit drei Monaten läuft das Projekt "Valerie und der Priester"

Nicht immer einer Meinung

Veröffentlicht am 22.08.2016 um 00:01 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ Seit drei Monaten begleitet die Journalistin Valerie Schönian den Priester Franziskus von Boeselager durch den Alltag. Wie geht es den beiden damit? Kommt das Projekt an? Zeit für ein Zwischenfazit.

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"Zu Beginn hat es einige kritische Stimmen gegeben", sagt Journalistin Valerie Schönian. Die hätten lediglich von einem PR-Projekt der Kirche gesprochen. Und davon, dass sie sicher gesagt bekomme, was sie den Priester nun fragen dürfe und was nicht. Doch die Stimmen sind mittlerweile verstummt. Vereinzelt liest man - zum Beispiel beim Thema Frauenpriestertum - noch von "oberflächlichen und immer gleichen Diskussionen". Ansonsten bekommt das Projekt, das die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Zentrum für Berufungspastoral initiiert hat, mittlerweile durchweg positives Feedback.

Mittlerweile mehr als 10.000 Fans auf Facebook

Die Zahlen belegen das: Die Internetseite www.valerieundderpriester.de wurde seit Projektstart bereits rund 300.000 Mal angeklickt. Auf Facebook hat man allein in den vergangenen vier Wochen rund 500.000 unterschiedliche Menschen erreicht - und das vor allem in einem für kirchliche Medien unüblichen Alter zwischen 18 und 34 Jahren. Außerdem haben "Valerie und der Priester" seit der vergangenen Woche über 10.000 Facebook-Fans. Das bleibt auch den anderen Medien nicht verborgen. Neben katholisch.de haben etwa der WDR, die Rheinische Post oder die Westfälischen Nachrichten über das Projekt berichtet.

Der Erfolg liegt auch daran, dass Schönian den Priester eben doch genau das fragt, was sie fragen möchte - wenn auch manchmal ein wenig unbedarft und aus dem Bauch heraus. Ihre Blogeinträge und Videos wirken authentisch. Es gibt keine theologischen Streitgespräche über Kirchenthemen. Schönian stellt vielmehr die Fragen, die viele kirchenferne Menschen von heute interessieren: Warum betet man? Was passiert in der Eucharistie? Und was macht ein Priester eigentlich den lieben langen Tag, wenn nicht Sonntag ist und er Gottesdienst feiert?

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Doch auch die, die mittendrin stecken im kirchlichen Leben - etwa Religionslehrer, Priester oder Pastoral- und Gemeindereferenten -, äußern sich in den sozialen Netzwerken überwiegend positiv über das Projekt. Der Grund ist einfach: Schönian hilft mit ihren einfachen Fragen nach den Traditionen, den Riten und der Lehre der katholischen Kirche dabei, das neu zu hinterfragen, was einem selbstverständlich erscheint. Das kann ein gutes Rezept gegen die eigene "Betriebsblindheit" sein.

Der andere Protagonist des Projekts, Kaplan Franziskus von Boeselager, sieht das ähnlich. "Ich glaube schon, dass ich mich in den drei Monaten bereits ein wenig verändert habe", sagt er. Nicht in seiner generellen Einstellung, sondern in seiner Sprache und in der Art und Weise, wie er anderen seinen Glauben zu erklären versucht. Die Gespräche mit Schönian helfen ihm dabei, sich selbst zu hinterfragen, sagt er.

Dass die Journalistin ihm auch Fragen zu heiklen Themen wie dem Zölibat, dem Frauenpriestertum oder dem Umgang der Kirche mit Homosexuellen stellt, stört den Priester nicht. Immerhin muss sie dann auch mit seinen Antworten zurechtkommen. Und die fallen häufig anders aus, als sich Schönian das vielleicht erhofft hat. Denn der Priester sagt, dass Homosexualität eine bisher kaum erforschte Neigung sei. Und er hält es für verantwortungslos, wenn in Schulbüchern Jungen abgebildet werden, die sich küssen. "Ich frage mich dann, wie ein so guter Mensch beim Thema Homosexualität solch eine Meinung haben kann", sagt sie.

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Der Kaplan sieht das anders und glaubt, er und die Kirche würden vielleicht einfach falsch verstanden. "Wir nehmen alle Homosexuellen als Menschen an." Dennoch sei es legitim, dass sie nicht kirchlich heiraten dürften. Denn es gebe eine natürliche Ordnung, aus der ein bestimmtes Familienbild resultiere. Er ist außerdem nicht davon überzeugt, dass das Frauenpriestertum eine gute Idee ist. Jesus habe nur Männer zu seinen Aposteln berufen. Und überhaupt gebe es für die Kirche wichtigere Themen.

Von Boeselager ist ein "konservativer" Priester. Das weiß nun auch Schönian. Allerdings nicht aus Gesprächen mit dem Kaplan. "Als Außenstehende stellt man sich einfach alle Priester genau so vor", sagt sie. Es war ihre gemeinsame Reise zum Weltjugendtag nach Krakau während der man ihr das Feedback gab, dass es eben auch andere, weniger konservative Priester gibt.

Das ist natürlich auch von Boeselager klar. Nicht alle trügen Priesterhemden und -kragen. Nicht alle verträten die gleichen Positionen wie er. Deshalb möchte er, dass "Valerie auch noch Geistliche 'aus dem anderen Lager' kennenlernt". Er selbst sagt über sich, dass es ihm nur um sein persönliches Zeugnis gehe. "Ich bin kein großer Theologe, kein Dogmatiker", gesteht er. "Ich sage nur, was ich über die jeweiligen Themen denke - und zwar aus meiner Liebe zu Christus und seiner Kirche heraus."

Bild: ©valerieundderpriester.de

Valerie Schönian und Franziskus von Boeselager waren gemeinsam beim Weltjugendtag in Krakau. Hier hat der Priester den Jugendlichen stundenlang die Beichte abgenommen. "Gott hat ihm die Kraft ggegeben, so lange zuzuhören", zitiert Schönian den Kaplan.

Gemeinsam waren "Valerie und der Priester" nicht nur beim Weltjugendtag in Krakau, sondern haben auch Priesterweihen in Köln und München erlebt. Dabei habe sie immer wieder irritiert, dass "da vorne nur Männer stehen", gesteht die Journalistin. Doch im Mittelpunkt ihres Projekts steht der Alltag in der Pfarrei St. Liudger in Münster-Roxel. "Franziskus hat häufig stressige Tage", sagt Schönian. Denn vieles lasse sich nicht aufschieben. Schließlich gehe es meistens nicht um Papierberge, sondern um Menschen, die Hilfe benötigen. Vom täglichen Einsatz des Priesters aus dem Glauben heraus ist die Journalistin beeindruckt.

Von Boeselager selbst glaubt, dass es diese einfachen seelsorglichen Situationen sind, bei denen Schönian ihn am besten kennenlernen kann. "Diese Gottesbegegnungen im Menschen, etwa bei einem Krankenbesuch, sind das, was mich erfüllt", sagt er. Er ist mit dem bisherigen Verlauf des Projekts zufrieden und hat es nicht bereut. Die Gespräche seien stets offen und man sei ein gutes Team. Außerdem wachse er mit dieser zusätzlichen Aufgabe.

Jetzt warten noch neun weitere Monate auf "Valerie und den Priester". Dass sie sich irgendwann nichts mehr zu erzählen haben, glauben sie nicht. Themen wie das der Frauen in der Kirche oder auch der Missbrauchsskandal seien noch nicht ausdiskutiert, sagen sie. Und auch ihre Familien haben sie gegenseitig noch nicht kennengelernt. "Außerdem war Valerie bisher nur in meiner Welt", sagt von Boeselager. Auch das wird sich ändern. Denn bald steht ein Besuch des Priesters in Berlin an.

Von Björn Odendahl