Noch immer nicht frei
Die Worte von Abubakar Shekau, Anführer von Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde), sind einmal mehr deutlich gewesen. In der jüngsten Videobotschaft, die vor gut einer Woche veröffentlicht wurde, heißt es: All jene Mädchen, die sich noch in der Gewalt der Gruppe befinden, kämen nur im Austausch gegen inhaftierte Mitglieder von Boko Haram frei. Das hatte Shekau auch schon im Mai verkündet - und damit in Nigeria Entsetzen ausgelöst.
Nur wenigen Mädchen gelang die Flucht
Denn diese Forderung gilt als unerfüllbar. Selbst schon Gespräche mit der Gruppe, die seit 2002 existiert und sich in den vergangenen fünf Jahren immer stärker radikalisierte, hatte Staatspräsident Goodluck Jonathan stets vehement abgelehnt. Ein Gefangenenaustausch gilt als schlicht unmöglich.
Auch 100 Tage nach der Entführung befinden sich noch mehr als 200 Mädchen in den Fängen der Terroristen; die Online-Zeitung "Premium Times" geht von der Zahl von 217 aus. In der Nacht zum 15. April waren knapp 300 Schülerinnen aus den Schlafsälen der Hostels rund um die weiterführende Schule von Chibok im Bundesstaat Borno entführt worden. Die Mädchen schrieben tagsüber gerade ihre Abschlussprüfungen. Augenzeugen zufolge waren einige der mutmaßlichen Täter sogar in Soldatenuniformen gekommen. Einigen wenigen Mädchen gelang bei dem Überfall die Flucht.
„Versprechen allein sind nicht genug. Wir möchten auch Taten sehen.“
Militäreinsatz gilt als heikel
Anfangs gab es Gerüchte, dass die Mädchen möglicherweise direkt nach Kamerun gebracht worden seien. Mittlerweile geht man davon aus, dass sie im Sambisa Forest, einem weitläufigen Waldgebiet im Nordosten Nigerias, versteckt werden. Genau das macht die Befreiung so schwierig. Die Terroristen könnten die Mädchen als Schutzschilde benutzen. Ein groß angelegter Militäreinsatz gilt deshalb als heikel. In der vergangenen Woche betonte auch Kenneth Minimah, einer der führenden Armeegeneräle, vor Journalisten, dass man Geduld bei der Befreiung der Mädchen haben müsse; es gebe keinen konkreten Zeitplan.
Wie schwierig der bewaffnete Kampf gegen die Terrorgruppe ist, hat schon das vergangene Jahr gezeigt. Seit Mai 2013 herrscht in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand. Anfangs gelangen der Armee bei Großeinsätzen durchaus Erfolge. Doch nur kurze Zeit später zog sich Boko Haram in schlecht gesicherte ländliche Gebiete zurück und überfiel dort regelmäßig ganze Dörfer. Ende Juni verübten Mitglieder zudem zwei Anschläge in der Hauptstadt Abuja sowie in der Wirtschaftsmetropole Lagos.
Politiker schüren Hoffnung
Das könnte, so urteilt Human Rights Watch (HRW), ein Zeichen dafür sein, dass sich Boko Haram weiter in Richtung Süden ausbreitet. Basierend auf Medienberichten und Interviews schätzt die Menschenrechtsorganisation, dass allein in den ersten sechs Monaten mindestens 2.053 Menschen durch Anschläge und Überfälle von Terroristen ums Leben gekommen sind.
Dennoch versuchen immer wieder führende Politiker, Hoffnung auf eine baldige Befreiung der Mädchen von Chibok zu machen. Mitte Juli hieß es nach einem Treffen mit Präsident Jonathan, dass es "bald gute Nachrichten" geben werde. Diese Hoffnung teilt zwar Ignatius Kaigama, Erzbischof von Jos und Vorsitzender der Nigerianischen Bischofskonferenz. Doch er betont auch: "Versprechen allein sind nicht genug. Wir möchten auch Taten sehen."
Von Katrin Gänsler (KNA)