Nur noch jeder vierte Berliner ist Christ
In Berlin haben die beiden großen Kirchen in den vergangenen zehn Jahren erheblich an Rückhalt verloren. 2007 waren noch rund 30 Prozent der Einwohner Christen, bis 2016 sank die Mitgliederzahl auf 25 Prozent, wie die Senatsverwaltung für Justiz mitteilte. Nach der am Donnerstag veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage aus dem Abgeordnetenhaus gehören jetzt rund 16 Prozent der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und 9 Prozent dem Erzbistum Berlin an.
Als "Hauptstadt des Atheismus" wird Berlin immer mal wieder bezeichnet. Zugleich betonen Spitzenvertreter der Kirchen gerne, wieviel Offenheit in religiösen Fragen sie auch bei Menschen feststellen, die keinen Taufschein haben oder ihrer Glaubensgemeinschaft den Rücken gekehrt haben. So verwies Berlins evangelischer Bischof Markus Dröge auf das aus seiner Sicht große gesellschaftliche Interesse am zu Ende gegangenen "Reformationsjubiläum".
Rückgang auf Kosten der evangelischen Kirche
Der Rückgang geht zumeist auf Kosten der evangelischen Kirche. Während der Anteil der Protestanten an der wachsenden Bevölkerung der Hauptstadt von 21 auf 16 Prozent sank, ging er bei den Katholiken nur von 9,5 auf 9 Prozent zurück. In Berlin verlor die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) allein seit 2007 mehr als 100.000 Mitglieder und zählt jetzt noch rund 580.000. Im Jahr 2016 verzeichnete die EKBO in Berlin rund 4.000 "Neuzugänge" durch Taufen oder Eintritte, während 8.700 die Kirche verließen.
Linktipp: So katholisch ist Berlin
Berlin ist ein Klischee: Arm aber sexy, freche Schnauze und gottlos noch dazu. So stellt sich der Rest der Republik die Hauptstadt vor. n keiner anderen Stadt leben so viele Atheisten wie in Berlin. Aber ist Berlin gottlos? Und wie katholisch ist Berlin? (Artikel von März 2014)Im Erzbistum Berlin belaufen sich die Eintritte auf jährlich um die 2.000, im vergangenen Jahr traten rund 5.300 Katholiken aus. Mehr als kompensiert wird dies jedoch durch Zuwanderung vor allem aus Polen. So wuchs das Erzbistum in den vergangenen zehn Jahren in der Hauptstadt sogar um 13.000 auf über 331.000 Mitglieder. So bleibt es bei den heute 3,7 Millionen Berlinern weitgehend beim traditionellen katholischen Bevölkerungsanteil um die zehn Prozent, wie es ihn bereits vor hundert Jahren gab.
Stellung der Kirchen verstärkt unter Rechtfertigungsdruck
In etwa gleicher Höhe dürfte die Zahl der Muslime liegen. Mangels einer Art muslimischer Kirchensteuer, die verlässliche Daten liefern könnte, gibt es hier nur Schätzungen. Durch die höhere Geburtenrate und Flüchtlinge aus dem muslimischen Kulturraum wird ihre Zahl voraussichtlich weiter zunehmen.
Die gesellschaftliche und politische Stellung der Kirchen steht angesichts dieser Entwicklungen verstärkt unter Rechtfertigungsdruck. Zwar können sie etwa mit Blick auf die 35 Berliner Schulen in ihrer Trägerschaft weiterhin auf starke Nachfrage auch von nichtchristlichen Familien verweisen und haben gute Karten bei Forderungen nach einer besseren staatlichen Finanzierung. Im Bildungsbereich legte der jahrelange Konflikt um die Einführung eines Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach, bei dem die Kirchen erfolglos blieben, zugleich antikirchliche Ressentiments nicht nur bei Linken und Grünen, sondern auch bis weit in der SPD offen. Diese dürften angesichts des anhaltenden "Christenschwunds" nicht geringer werden.