Paragraf 219a: Kirche erwartet schwere Verhandlungen
In der politischen Debatte um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche ist nach Ansicht der katholischen Kirche das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. In einem Interview des Kölner domradios bekräftigte die stellvertretende Leiterin des katholischen Büros in Berlin, Katharina Jestaedt, am Mittwochabend zugleich, dass sich die Kirche für die Beibehaltung der bestehenden Regelungen im Paragraf 219a im Strafgesetzbuch ausspreche.
Dieser untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Jestaedt bezeichnete den Paragrafen als eine "wichtige Säule des Anfang der 90er-Jahre mühsam zustande gekommenen Kompromisses über den Schwangerschaftsabbruch". Bei rund 100.000 Schwangerschaftsabbrüchen im Jahr darüber zu diskutieren, Werbung dafür freizugeben, sei aus Sicht der katholischen Kirche eher zweifelhaft.
"Einer Tendenz entgegenwirken"
Der Paragraf 219a verstehe unter Werbung "die öffentliche Information über Schwangerschaftsabbrüche, aber nur durch denjenigen, der damit sein Einkommen oder einen Teil seines Einkommens erzielt; also Ärzte, die selber Schwangerschaftsabbrüche durchführen", präzisierte Jestaedt. "Sinn dieser Vorschrift ist, einer Tendenz entgegenzuwirken, Schwangerschaftsabbrüche wie eine normale ärztliche Dienstleistung aussehen zu lassen." Dieses Gebot habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber mitgegeben. "Und deswegen ist es dann auch egal, ob die öffentliche Information eher werbenden Charakter hat oder eher objektiv daherkommt."
Es gebe ein flächendeckendes Angebot an Beratungen für Schwangere, betonte Jestaedt. Die Frage sei, was die Frauen dort erführen. "Es scheint nicht flächendeckend zu sein, dass alle Beratungsstellen Listen mit Ärzten haben, die Abtreibungen durchführen. Wir würden dafür plädieren, sich das anzuschauen", so die Juristin. "Wenn es dort ein Informationsdefizit gäbe, dann sollte es in diesem geschützten Raum der Beratung behoben werden." Die Lösung liege jedoch nach Ansicht der Kirche weder im Internet noch in der Werbung.
Im Bundestag wurden bereits drei Gesetzentwürfe in Erster Lesung verhandelt. Sie stammen von der Linken, den Grünen und der FDP. Dem Bundesrat liegt ein weiterer von einigen Bundesländern eingebrachter Gesetzentwurf vor. Linke, Grüne und der Bundesratsantrag fordern die ersatzlose Streichung des Werbeverbots für Abtreibung; der FDP-Antrag plädiert für eine Änderung des Paragrafen.
Bundesfamilienministerin Giffey fordert Abschaffung
Die Union und die AfD sind gegen eine Abschaffung, auch gegen Änderungen wehren sich viele Abgeordnete der Fraktion. Die SPD stellte ihren bereits im Bundestag eingebrachten Gesetzesentwurf nicht zur Abstimmung, um den Koalitionsfrieden zu wahren. Die Koalitionsparteien baten stattdessen die Bundesregierung, einen Vorschlag zu erarbeiten. Dafür ist Bundesjustizministerin Katarina Barley zuständig. Zuletzt forderte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (beide SPD) die Abschaffung, mindestens jedoch eine Änderung des Paragrafen 219a.
Aufgrund der kontroversen Haltungen, so Jestaedt, "gehen wir davon aus, dass das ein schwieriger Abstimmungsprozess wird". (KNA)