Philosoph: Kirche ist zu abhängig vom Staat
Kirche und Caritas sind nach Ansicht des Philosophen Martin Rhonheimer zu stark von staatlichen Strukturen abhängig. Es habe sich ein "Sozialstaatskirchensystem" entwickelt, das die Kirche verweltliche, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sie sei dadurch nicht mehr frei, "ein System in Frage zu stellen, das zum Beispiel dem Subsidiaritätsprinzip eklatant widerspricht und ökonomisch falsche Anreize setzt". Aus seiner Sicht müsse es "wieder mehr gelebtes Christentum geben und weniger Staatskirche und Staat", so der Schweizer, der auch als Priester der Personalprälatur Opus Dei wirkt.
Katholiken könnten über Fragen der Welt- und Wirtschaftsordnung diskutieren, dürften aber "nicht der Versuchung verfallen, von ihren Hirten dafür Orientierung zu verlangen", sagte Rhonheimer. Die Kirche müsse nicht alles lehren. Die katholische Soziallehre etwa neige seines Erachtens dazu, sich von der Marktwirtschaft zu distanzieren. Doch, so der Wissenschaftler: "Mit Caritas allein lässt sich in der Tat kein Wohlstand schaffen - hier helfen nur Unternehmertum und freie Märkte."
Rhonheimer: Papst sieht Wirtschaft mit "argentinischer Brille"
Papst Franziskus, der sich immer wieder zu Armut und Ungleichheit äußert, trage "eine argentinische Brille", sagte der Philosoph. Die Sorge der Kirche um die Armen sei nachvollziehbar, die Lösungsansätze des Pontifex dagegen nicht. Kapitalismus und Marktwirtschaft seien Quellen des Wohlstands; "sie töten nicht", so Rhonheimer in Anspielung auf den Franziskus-Ausspruch "Diese Wirtschaft tötet". Er bezweifle, "dass der Papst wirklich eine Vorstellung davon hat, was freies Unternehmertum leisten kann".
Rhonheimer betonte zugleich, er kreide Franziskus dessen Analysen nicht an, "weil er als Papst für solche ökonomischen Analysen gar nicht zuständig ist". Das Kirchenoberhaupt biete jedoch vielen Antikapitalisten "die willkommene Gelegenheit, mit Berufung auf ihn die Marktwirtschaft zu verteufeln". (KNA)