Priester an Rassisten: Ihr findet keine Erfüllung!
Vor nicht einmal zwei Wochen marschierten Tausende Rechtsradikale durch die Universitätsstadt Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia. Vermummt mit schwarzen Tüchern oder den weißen Ku-Klux-Klan-Gewändern, mit Südstaatenflagge oder auch ganz ungeniert mit Hakenkreuz. Sie demonstrierten gegen den Beschluss der Stadt, die Statue des Konföderierten-Generals Robert F. Lee zu entfernen. Lee und seine Mitstreiter kämpften im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 unter anderem für den Fortbestand der Sklaverei.
Ein Priester trifft eine Entscheidung
Wie die Demonstration in dem 50.000-Einwohner-Städtchen Charlottesville endete, konnte man weltweit in allen Medien verfolgen: Ein 20-jähriger Mann raste mit seinem Fahrzeug allem Anschein nach absichtlich in eine Gruppe Gegendemonstranten – und tötete die 32-jährige Heather Heyer. 19 weitere Menschen wurden verletzt. Und US-Präsident Donald Trump reagierte wieder einmal ebenso fragwürdig wie schlagzeilenträchtig.
Was dagegen nur eine Randnotiz bleiben wird, ist die Entscheidung, die der 62-jährige William Aitcheson nach den Ereignissen von Charlottesville trifft. Aitcheson war Pfarrer im 160 Kilometer entfernten Fairfax City. Bis zum 21. August 2017. An diesem Tag hat er sich nach fast 30 Jahren im Dienst dazu entschlossen, seine Aufgaben erst einmal ruhen zu lassen. Warum? Weil er früher wohl selbst in Charlottesville auf die Straße gegangen wäre. Denn er war einmal Mitglied im Ku-Klux-Klan.
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Die Geschichte ist jedoch komplizierter, als man erwartet: Es ist nicht das Verschweigen einer düsteren Vergangenheit, von der der Arbeitgeber per Zufall erfährt und einen schließlich versetzt oder den Rücktritt nahelegt. Denn der katholische Priester hat seine Vergangenheit nie verschwiegen, wenn auch nicht an die große Glocke gehängt. Es war auch nicht der Druck seiner Diözese Arlington, der ihn dazu zwang, sein Amt niederzulegen. Ganz im Gegenteil. Das Bistum betont, dass es nie Vorwürfe von Rassismus und Bigotterie gegen den Priester gegeben habe, solange er in dessen Dienst stand.
Nein. "Es waren die Bilder von Charlottesville, die die Erinnerungen an eine düstere Periode in meinem Leben zurückbrachten", schreibt Aitcheson in der Kirchenzeitung seiner Diözese. Mit seinem Beitrag wollte er von seiner "Verwandlung" berichten – vom Ku-Klux-Klan-Mitglied zum gläubigen Katholiken. Und er wollte zeigen, dass man nicht beides gleichzeitig sein kann. Um die amerikanische Gesellschaft wachrütteln, wagt er öffentlich den schmerzhaften Rückblick. Nur deshalb und zum Wohlergehen der Kirche und seiner Gemeinde lässt er sein Amt erst einmal ruhen. Es war sein eigener Wunsch, dem die Diözese entsprochen hat.
"Die Wahrheit zu erkennen, ist unglaublich befreiend"
"Wenn ich an die brennenden Kreuze oder auch die Drohbriefe und so weiter zurückdenke, fühle ich mich, als spreche ich von jemand anderem", erinnert sich Aitcheson an die Zeit vor 40 Jahren. Damals war er Anfang 20 und ein "leicht zu beeindruckender junger Mann". Die Ironie, dass er dann eine anti-katholische Hassgruppe verlassen habe, um sich der katholischen Kirche zu nähern, sei ihm nicht entgangen. Es sei eine "Erinnerung an die radikale Bekehrung, die durch Jesus Christus in seiner Barmherzigkeit möglich ist", sagt er. Er habe sein altes Leben verlassen und sei auf der Suche gewesen. Dabei habe Gott ihn auch erniedrigt, "weil ich erniedrigt werden musste". Aber den Rassismus aufzugeben, habe ihn befreit. "Die Wahrheit zu erkennen, ist unglaublich befreiend."
Jetzt die Bilder von Charlottesville. Aitcheson hätte sie lieber nicht gesehen und seine Vergangenheit gerne vergessen. Aber: "Die Realität ist, wir können nicht vergessen, wir sollten nicht vergessen." Das eigene Handeln habe Konsequenzen, und während er fest daran glaube, dass Gott ihm vergeben habe – wie er jedem verzeihe, der bereue und um Vergebung bitte –, wäre es ein Fehler zu vergessen, was er selbst getan habe.
Die Bilder von Charlottesville seien peinlich, schreibt der Priester. Sie brächten die USA als Land in Verlegenheit. Die, die ihre schädliche und zerstörerische Vergangenheit bereuen würden, sollten beim Anblick dieser Bilder auf die Knie fallen und beten. Rassisten hätten einen verseuchten Verstand, verdreht durch eine Ideologie, die den falschen Glauben verstärkt, dass sie anderen überlegen sind. Aber Christus lehre etwas anderes. "Er lehrt uns, dass wir alle seine Geschöpfe sind und wunderbar gemacht – egal welche Hautfarbe oder Ethnie."
Aitcheson: Rassisten, ich habe eine Nachricht für euch
Aitcheson fordert die Christen dazu auf, den Hass und die abscheulichen Überzeugungen des Ku-Klux-Klan und ähnlicher rassistischer Organisationen bei jeder Gelegenheit zu verurteilen. Was sie glaubten, widerspreche dem, "was wir als Amerikaner glauben und was wir als Katholiken lieben". Und dann wendet sich der Priester direkt an seine alten Gesinnungsgenossen: "Wenn es irgendwelche Rassisten gibt, die das lesen, habe ich eine Nachricht für euch: Ihr werdet in dieser Ideologie keine Erfüllung finden. Euer Hass wird euch niemals zufrieden machen und euer Zorn wird niemals nachlassen. Ich ermutige euch, Frieden und Barmherzigkeit an dem einzigen Ort zu finden, wo es authentisch und unendlich ist: Jesus Christus."
Der Priester bittet die Gläubigen, für die Opfer von Rassismus zu beten, aber auch für die, die sich als Rassisten selbst anderen überlegen fühlen. Und dann bittet auch er selbst noch einmal um Verzeihung: "Es tut mir leid. Für jeden, der Rassismus oder Bigotterie ertragen musste, tut es mir leid. Ich habe keine Entschuldigung dafür, aber ich hoffe, Sie werden mir verzeihen."
Die Diözese Arlington hofft, dass die Botschaft Aitchesons "in unserem gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Klima diejenigen erreichen wird, die Hass und Spaltung unterstützen". Die Rassisten sollten eine ähnliche Bekehrung erfahren wir der Priester. "Unser Herr ist bereit, ihnen zu helfen, eine neue Reise zu beginnen, eine, wo sie Frieden, Liebe und Barmherzigkeit finden werden. Die katholische Kirche wird jeden begleiten und dabei helfen, sie näher zu Gott zu bringen."
Dass das nötig ist, hat mittlerweile auch die US-Bischofskonferenz erkannt. Nach den jüngsten Vorfällen rief sie am Mittwoch ein Komitee ins Leben, dass sich mit "der Sünde des Rassismus in unserer Gesellschaft und sogar in unserer Kirche" befassen solle. Denn das Ausmaß der rassistischen Vorfälle in den USA füge dem Land weiterhin Schaden zu, so die Bischöfe. Das neue Komitee solle dazu beitragen, Kirche und Gesellschaft im Kampf gegen diese Sünde zu einen.