Zwischen Frühlingsbrauchtum und Stolz auf Marienverehrung

Pro und Contra: Übertriebene Marienfrömmigkeit?

Veröffentlicht am 05.05.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Glaube

Bonn ‐ Der Marienmonat Mai sorgt für Diskussionen. Übertreiben wir Katholiken es nicht manchmal mit der Marienverehrung? Ja, meint Agathe Lukassek. Kollege Tobias Glenz freut sich hingegen auf die Maiandachten.

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Pro: Ich habe ja nichts gegen Maria, aber...

Es ist Mai – in der katholischen Kirche heißt das: Marienmonat Mai. Warum eigentlich? Die vielen Hochfeste, Feste und Gedenktage, die wir Katholiken der Mutter Jesu widmen, sind allesamt in den anderen Monaten, ausgenommen der nicht gebotene Gedenktag Unserer Lieben Frau von Fatima (13. Mai). Und mittelalterliche Maiandachten hatten ursprünglich die Kreuzfrömmigkeit zum Thema – ergänzt um die Bitte um eine gute Ernte. Der marianische Aspekt wurde erst im 19. Jahrhundert prägend.

Das lässt in mir den Verdacht aufkommen, dass es bei der Marienverehrung in diesem Monat hauptsächlich um Brauchtumspflege geht, um Frühling, Blumen – Rosen und Lilien werden mit der Muttergottes in Verbindung gebracht – Gesang und Gefühl. Maiandachten mit kitschigen Liedern, gemeinsames Rosenkranzgebet – für mich ist das eine übertriebene Marienfrömmigkeit und der Kern des christlichen Glaubens kommt mir da zu kurz.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich will nicht die Bedeutung Marias in Frage stellen, sie ist diejenige, die "Ja" sagte zum Plan Gottes und uns mit Jesus Christus den Erlöser auf die Welt gebracht hat, ihn erzog und unter dem Kreuz stand als er getötet wurde.

Ich verstehe, dass Maria eine wichtige weibliche Komponente in unseren Glauben bringt, der leider immer noch viel zu oft den dreifaltigen Gott rein männlich darstellt. Sie wirkt oft menschlicher und zugänglicher als etwa der ferne, strafende und zornige Gottvater, der bis vor wenigen Jahrzehnten noch gepredigt wurde. Aber muss die Sehnsucht nach der weiblichen Komponente im Christentum unbedingt in die Richtung einer blumenumkränzten rosawangigen jungen Frau mit gesenktem Kopf gehen? Und warum ist die Verehrung dieser großen Heiligen zumeist unbiblisch und bezieht sich auf irgendwelche Legenden und Erscheinungen?

Maria erfüllt noch weitaus andere Frauenbilder, wie bereits die wenigen Bibelstellen über sie zeigen: Sie ist die reisende Schwangere, die ihre Verwandte besucht, Flüchtling in Ägypten, sie ist die Mutter, die von ihrem Sohn immer wieder vor den Kopf gestoßen wird, sie ist die Frau, die ihr Kind sterben sieht und eine Witwe, die mit Jesu Freunden auf die Sendung des Heiligen Geistes wartet. Das kitschige Bild einer entrückten Jungfrau wird dem nicht gerecht, was Maria geleistet und auch erlitten hat.

Schon Papst Paul VI. regte im Jahr 1974 an, dass der Marienverehrung neue Impulse gegeben werden: Sie sollte sich am Kirchenjahr orientieren, stärker aus der biblischen Überlieferung schöpfen, den Bezug zur Ökumene berücksichtigen und sich von der modernen anthropologischen Frauenfrage inspirieren lassen. In den volkstümlichen Andachten entdecke ich nichts davon – und weder die Pastoral noch die Theologie scheinen sich derzeit um aktuelle Zugänge zu dem Thema zu kümmern. Wenn aber Marienfrömmigkeit – da, wo es sie in Deutschland noch gibt – Jesus eher verdeckt als dass sie zu ihm führt, dann geht etwas schief.

Von Agathe Lukassek
Bild: ©Adam Jan/Fotolia.com

Eine mobile Schwangere, Flüchtling, Erzieherin und Witwe: Die Bibel zeigt Maria weitaus facettenreicher als die Volksfrömmigkeit.

Contra: Ein Hoch auf unsere Marienfrömmigkeit!

Ich gebe es unverhohlen zu: Unsere katholische Marienverehrung erfüllt mich mit Stolz. Jedes Jahr freue ich mich auf den jetzt angebrochenen Marienmonat, in dem der Gottesmutter besonders gedacht wird und überall – gerne auch unter freiem Himmel – Maiandachten stattfinden. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht um die Fürbitte Mariens in bestimmten Anliegen bitten würde. Warum diese Frömmigkeit, warum dieses Vertrauen? Ganz einfach: Diese Frau hat es verdient.

Wer die Marienverehrung verstehen will, muss sich zunächst vor Augen halten, wer Maria nach katholischer Überzeugung ist: Sie war die Mutter Jesu Christi, des Messias', des Erlösers der Menschheit, des Sohnes Gottes. Sie hat nach der Verkündigung der Geburt Jesu durch den Engel Gabriel vorbehaltlos Ja zum Heilsplan Gottes gesagt, den Heiland Jesus ausgetragen und großgezogen. Sie wurde unter dem Kreuz gleichsam zur Mater Ecclesiae, zur Mutter der Kirche.

Zu Recht betrachtet die katholische Kirche sie also als die Größte unter allen Heiligen. Zu Recht gehen die Gläubigen davon aus, dass die Fürbitte Mariens besonders "wirksam" ist, denn wer könnte dem Herrn näherstehen als Maria, die Gottesmutter? Dass sich früh in der Kirchengeschichte eine große Marienfrömmigkeit herausgebildet hat, ist da nur folgerichtig. Denken wir an die großen Wallfahrtsorte Lourdes oder Fatima: Wie viele Tausend Menschen finden dort Jahr für Jahr Kraft und Trost – ja, teilweise sogar Heilung? Das sollte, das darf ihnen nicht genommen werden.

Freilich: Kritik an einer allzu überzogenen Marienverehrung kann ich nachvollziehen. Bei diversen vermeintlichen Erscheinungen der Gottesmutter bin auch ich skeptisch. Auch wer meint, Maria gottgleich anbeten zu können, der ist auf den falschen Weg geraten. Unterscheidet doch der Katechismus klar zwischen Anbetung und Verehrung: "[Der Marienkult] ist zwar durchaus einzigartig, unterscheidet sich aber wesentlich vom Kult der Anbetung, der dem menschgewordenen Gott gleich wie dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird" (KKK 971).

Wer dies in seinem Glaubensleben beherzigt, der kann und darf Maria verehren – in welchem Umfang, das sei ihm oder ihr überlassen. Ob es nun tatsächlich noch einen weiteren Mariengedenktag am Pfingstmontag braucht, sei dahin gestellt; ebenso, ob die ohnehin titelreiche Gottesmutter noch einen weiteren Namen wie den der "Miterlöserin" bräuchte. Aber: Die Verehrung Marias – so wie sie in unserer Kirche seit Jahrhunderten Brauch ist – hat ihre klare Berechtigung. Ehre, wem Ehre gebührt.

Von Tobias Glenz