Rätsel um Erfurter Wolfram-Leuchter gelüftet
Der berühmte Wolfram-Leuchter im katholischen Erfurter Dom ist nicht jüdischen Ursprungs. Bei einer nichtöffentlichen Fachtagung am Donnerstag sei erstmals ein Nachweis erbracht worden, der die Hypothese widerlege, dass die mittelalterliche Bronzestatue ursprünglich den biblischen Hohepriester Aaron dargestellt und als Thora-Halter in einer Synagoge gedient habe, teilte die Universität Erfurt am Abend mit.
Christliche Inschrift ist authentisch
Eine Forschergruppe um den Religionswissenschaftler Jörg Rüpke hatte die Hypothese im Mai veröffentlicht. Danach war er zu einer Kontroverse über eine mögliche Rückgabe an die Jüdische Landesgemeinde gekommen. Eine Materialprüfung habe nun ergeben, dass die christliche Inschrift mit der Figur zusammen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gegossen worden sei, so die Universität.
Die lebensgroße Figur gilt als älteste freistehende Bronzeskulptur eines Menschen, die aus dem hochmittelalterlichen Europa erhalten blieb. Die 290 Kilo schwere Statue trägt an ihrem Gürtel den Schriftzug "Wolfram". Sie steht mit ausgebreiteten Armen und trägt in jeder Hand eine Kerze.
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Ist er statt eines christlichen Büßers ein jüdischer Hohepriester? Wissenschaftler haben eine neue Theorie zur Herkunft des berühmten "Wolfram" im Erfurter Dom, einer hochmittelalterlichen Bronzeskulptur. (Artikel von März 2016)In ihrem Beitrag für die "Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte" (Potsdam) vermuteten Rüpke sowie der Theologe Dietmar Mieth und die Philosophin Julie Casteigt, die Statue sei in Zusammenhang mit dem Judenpogrom von 1349 "in christlichen, vielleicht zunächst städtischen Besitz und später in den Erfurter Mariendom gelangt - sei es zur Erhaltung, sei es als Plünderungsgut".
Domkapitel begrüßt Forschungsergebnis
Das Erfurter Domkapitel hat die Klärung der christlichen Herkunft des berühmten Wolfram-Leuchters begrüßt. Die lebensgroße Bronzestatue sei, "wie wir spätestens jetzt wissen, im Erfurter Mariendom am rechten Ort", sagte der Dompropst, Weihbischof Reinhard Hauke, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag in Erfurt.
Rüpke sagte auf Anfrage: "Es ist natürlich immer ein bisschen traurig, wenn eine Hypothese widerlegt wird, aber andererseits hat sie sich ausgezahlt, da so neue Forschungen zu der Figur in Gang gekommen sind." Die Tagung habe gezeigt, dass es noch erheblichen wissenschaftlichen Forschungsbedarf in Sachen "Wolfram" gebe. Sein Team vom Erfurter Max-Weber-Kolleg werde sich jedoch zunächst nicht weiter mit der konkreten Figur beschäftigen, sondern vielmehr den ideengeschichtlichen Kontext in den Blick nehmen, so Rüpke. (KNA)
26.08., 12:55 Uhr: Ergänzt um die Stellungnahmen des Domkapitels und Rüpkes