"Religiös? Atheist? Ich bin normal!"
Kügler leitet die Kontaktstelle der katholischen Kirche in der Leipziger Innenstadt, die den Dialog mit Konfessionslosen sucht. Zugleich ist er federführend für den Programmschwerpunkt "Leben mit und ohne Gott" beim 100. Katholikentag zuständig, der vom 25. bis 29. Mai in der Messestadt stattfindet. Erstmals richtet das katholische Großevent gezielt den Fokus auf Konfessionslose, Atheisten und "religiös noch Unentschlossene", wie mancher Priester sie in Leipzig nennt. Eine Formulierung, die der Leipziger Religionssoziologe Gerd Pickel für verfehlt hält: "Das suggeriert, dass diese Menschen sich noch entschließen werden - aber für die meisten von ihnen steht überhaupt nichts zur Entscheidung an, sie sind mit ihrem Leben ohne Gott völlig zufrieden und suchen nichts Anderes."
"Ich glaub' nichts, mir fehlt nichts"
Küglers Erfahrungen bestätigen das: "Viele sagen: In meinem Leben kommt Gott nicht vor, aber mir fehlt auch nichts." Das freilich macht es schwierig für die Kirchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Pater Kügler bilanziert nüchtern: "Wir haben diese Frage in der Vorbereitung wirklich von allen Seiten diskutiert und, ja, es bleibt einfach ein Restrisiko, dass unsere Angebote beim Katholikentag bei dieser Zielgruppe keinen oder nur wenig Anklang finden." Auch das Hauptpodium "Ich glaub' nichts, mir fehlt nichts" macht ein Problem deutlich: Von den sechs Teilnehmern - darunter der Thüringer Ministerpräsident und bekennende Protestant Bodo Ramelow - ist lediglich einer konfessionslos: der Präsident des Bundesverbandes Jugendweihe, Konny G. Neumann.
Für Pickel nicht verwunderlich: "Es gibt niemanden der 'die' Konfessionslosen repräsentativ vertreten könnte." Zum einen, weil es keine homogene Gruppe ist, zum anderen weil sie nicht organisiert sind. Atheistische Gruppen, die etwa gegen Staatsleistungen an die Kirchen sind, stünden nicht für das Gros der Konfessionslosen. "Und wenn jemand sagt: 'Ich glaub nichts, mir fehlt nichts', hat er damit eigentlich alles zu dem Thema gesagt - worüber sollte man mit ihm diskutieren?", so Pickel.
Insgesamt 39 der rund 1.000 Veranstaltungen gehören zum Themenbereich "Leben mit und ohne Gott". Es sind die unterschiedlichsten Formate: Kunstinstallationen, "Yoga- und Zen-Meditationen mit Andersglaubenden", eine Werkstatt zu "Neue Spiritualität im Personal Coaching", ein meditativer Pilgerweg durch die Innenstadt auf den "Spuren von Unrecht und Hoffnung", Thekengespräche mit den Bischöfen Wolfgang Ipolt (Görlitz) und Stefan Oster (Passau). Diskussionsforen befassen sich mit Sterbehilfe, religiös motivierter Gewalt oder dem Staat-Kirchen-Verhältnis.
Kanzel vor dem Hauptbahnhof
Darüber hinaus soll es in der Innenstadt diverse Orte der Begegnung geben. Das Projekt "Off Church" etwa stellt fünf stilisierte, teils selbstironisch gebrochene Kirchen-Accesssoires in der Innenstadt auf, etwa eine Kanzel vor dem Hauptbahnhof mit dem Aufruf: "Geh hoch und sag was Nettes". Oder einen Altar, an dem digital Fürbitten formuliert werden können, und einen Beichtstuhl als Begegnungsstätte. "Es geht darum, Aufmerksamkeit zu erregen, damit sich die Passanten damit auseinandersetzen", erläutert Kügler und ist gespannt auf die Reaktionen. "Das Christentum ist ja nicht Wellness zur Verschönerung des Lebens, sondern eine Erlösungsreligion - und salopp gesprochen: Wer von nichts erlöst werden will, dem haben wir nichts zu bieten."