Weltkirche-Bischof über seinen Besuch bei Christen im Irak

Schick: In vom IS ausgebrannten Kirchen Messen gefeiert

Veröffentlicht am 09.04.2018 um 15:25 Uhr – Lesedauer: 
Irak

Bonn ‐ Zerstörte Häuser und Kirchen, aufgebrochene Tabernakel: Erzbischof Ludwig Schick hat bei seinem Irak-Besuch die Folgen des IS-Terrors hautnah miterlebt. Mit katholisch.de hat er darüber gesprochen.

  • Teilen:

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick war in der Osterwoche fünf Tage im Irak. Als erster hochrangiger deutscher Kirchenvertreter hatte er sich ein Bild der Lage nach der Vertreibung des "Islamischen Staats" gemacht. Die Terrormiliz hat Kirchen und Häuser von Christen als Ruinen hinterlassen; besonders die Kreuze seien zerstört und die Tabernakel aufgebrochen worden. Für den Wiederaufbau und die Rückkehr von Christen aus den Flüchtlingslagern in ihre Dörfer sichert der Vorsitzende der Kommission Weltkirche in der Bischofskonferenz die Solidarität der deutschen Kirche zu.

Frage: Erzbischof Schick, Sie waren fünf Tage im Irak. Was stand im Fokus der Reise? 

Ludwig Schick: Es ging bei der Reise vor allem darum, die Christen zu besuchen. Ein Schwerpunkt lag auf der Ninive-Ebene, die seit Jahrhunderten von christlichem Leben geprägt ist. Bei meiner Syrien/Irak-Reise vor zwei Jahren war ein Besuch dort nicht möglich. Nun konnte unsere Delegation in die von der Terrormiliz IS schwer zerstörten Städte Karakosh und Karemlesh. Dorthin kehren die Christen nach dem Terror wieder zurück und verlassen die Lager, in denen sie seit dem Jahr 2014 waren. Wir wollten unsere Solidarität zeigen und sehen, wo wir als Kirche beim Aufbau gebraucht werden. 

Frage: Wie ist die aktuelle Lage der Christen im Irak?

Schick: Sie sind in einer Art Wartestatus. Einige fragen sich "Können wir hier überhaupt noch leben?" oder "Kann uns nicht wieder so ein System wie der IS überrollen?". Aufgrund dieser Befürchtungen halten es viele für vernünftiger, ins Ausland zu gehen. Tatsächlich haben schon viele das Land verlassen und werden wohl nicht zurückkommen. Die anderen sagen "Das ist seit Jahrhunderten unser angestammtes Land, in dem wir bleiben wollen." Aber auch sie warten ab. Sie werden bleiben, wenn es gut weiter geht und friedlich bleibt.

Erzbischof Ludwig Schick blickt auf Jesus-Plakatwand
Bild: ©Deutsche Bischofskonferenz/Kopp

Erzbischof Ludwig Schick besuchte bei seiner Irak-Reise die nach der Vertreibung des IS wieder besiedelten christlichen Gebiete. Eine Plakatwand mit Jesus lädt Christen dazu ein, in die Stadt Karamlesh in der Ninive-Ebene zurückzukehren.

Frage: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die Menschen bleiben?

Schick: Es braucht eine bessere Sicherheitslage im Land – für die Christen und für alle Menschen im Irak. Erst dann können die Menschen ihre Häuser wieder aufbauen. Kindergärten und Schulen müssen wieder funktionieren, in denen auch Kinder verschiedener Ethnien und Religionen lernen, miteinander zu leben und die Gesellschaft zu gestalten. Es braucht aber auch Arbeitsplätze, damit Menschen eine Zukunft für sich in ihrer Heimat aufbauen können. Die eindeutige Botschaft derjenigen, mit denen ich sprach, war: "Wenn es Zukunftsperspektiven gibt, werden wir bleiben".

Frage: Wie hilft die Kirche in Deutschland in dieser Situation?

Schick: Ich war dort mit Vertretern der großen Hilfswerke Caritas international, Missio, dem Kindermissionswerk, Kirche in Not und Misereor. Zunächst einmal haben wir den Menschen gezeigt, dass wir solidarisch sind. Es ist wichtig, dass die Leute spüren, dass sie nicht vergessen sind und wir für sie beten. Zum anderen haben wir geschaut, wo wir konkret helfen können. Dabei ist deutlich geworden, dass wir zum Häuseraufbau einen Beitrag leisten können. Dazu gehören auch die Kirchen, die den Menschen sehr wichtig sind. Sie sind die Quelle für die nötige Kraft und geben ihnen Zuversicht für das tägliche Leben. Auch Schulen, Krankenhäuser und Gemeinderäume müssen wieder erstehen. 

Frage: Um welche Summen handelt es sich da?

Schick: Die Zahl kann ich so nicht nennen, denn es kommt darauf an, wie viele Häuser aufgebaut werden. Eine christliche Familie, die ihr Haus aufbauen will, bekommt vom "Ninive Reconstruction Committee" durchschnittlich 7.000 US-Dollar als Anschubfinanzierung, mit denen sie wirtschaften können. Wir sprechen hier von tausenden Christen. Missio und Kirche in Not helfen aber auch beim Aufbau der Kirchen.

Erzbischof Ludwig Schick im irakischen Flüchtlingslager Shariya
Bild: ©Deutsche Bischofskonferenz/Kopp

Erzbischof Ludwig Schick verteilt Süßigkeiten an Kinder im irakischen Flüchtlingslager Shariya, in dem derzeit noch rund 27.000 Jesiden leben.

Frage: Gibt es bereits Gotteshäuser, die aufgebaut sind?

Schick: Ich habe in Kirchen Gottesdienste feiern können, die zum Teil notdürftig wiederhergestellt sind. Man sieht noch überall die Spuren des IS, der die Kirchen ausgebrannt hat. Trotzdem werden da wieder Messen gefeiert. Die Feier dieser sehr lebendigen und emotionalen Gottesdienste und Gebete ermutigt die Menschen dazu, weiterzubauen und die Kirchen vollständig wiederherzustellen. 

Frage: Wie war die Situation in den Flüchtlingslagern, die Sie im Irak besucht haben?

Schick: Ich habe etwa in einem jesidischen Flüchtlingslager gesehen, wie schwer es diese kleine Minderheit hat. Viele der Geflüchteten stammen aus den Bergen des Sinjar-Gebirges. Bis es dort zum Wiederaufbau kommt, dauert es und ist schwierig. Die Christen haben mehrheitlich in den Ebenen gewohnt und haben auch mehr Hilfe vom Ausland als die Jesiden, deshalb sind viele christliche Flüchtlingslager schon geleert. Ich muss sagen, dass ich erschüttert bin angesichts der primitiven Zustände im Shariya-Camp, wo seit vier Jahren 27.000 jesidische Flüchtlinge leben. Es ist inhuman, jahrelang in Zelten leben zu müssen. Problematisch sind auch fehlende Hygiene und ein wachsendes Gewaltpotential aufgrund einer ständigen Frustration.

Von Agathe Lukassek