Die Christen aus dem syrischen Bergdorf Maalula leben noch immer ein Angst

"Sie wollen uns Christen auslöschen"

Veröffentlicht am 17.06.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Durch die zerstörte Kuppel fällt ein Lichtkegel in den ausgebrannten Altarraum, links und rechts stehen beschädigte Kirchebänke.
Bild: © KNA
Syrien

Maalula ‐ Maalula im Juni 2014. Der Ort ist verlassen. Häuser liegen in Trümmern, Fenster sind aus den Rahmen gesprungen, Wände und Türen verkohlt. Kaum eine der zahlreichen Kirchen hat noch ein Kreuz. Statuen sind zertrümmert, Ikonen und alte Kulturschätze geraubt oder verbrannt. Maalula ist ein aramäisches Wort und bedeutet "Eingang". In dem Ort am Fuße einer tiefen Schlucht und im Schutz hoher Felswände hat die Sprache Jesu 2.000 Jahre überlebt.

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Am 4. September 2013 griffen Kämpfer der überwiegend sunnitischen "Freien Syrischen Armee" und der Nusra-Front einen Kontrollpunkt der Assad-treuen syrischen Armee am großen Tor von Maalula an. Der Ort wurde durchkämmt, Männer aus den Häusern gezerrt. Mit vorgehaltener Waffe sollten sie ihrem christlichen Glauben abschwören und zu Muslimen werden. Drei Männer wurden erschossen, als sie sich weigerten; andere wurden verschleppt. Die syrische Armee jagte die Kämpfer die schmale Schlucht hinauf auf den Berg, wo das Kloster des heiligen Sergius aus dem 4. Jahrhundert steht. Hier und in dem nahe gelegenen As-Safir-Hotel verschanzten sich die Kämpfer. Von dem hoch gelegenen Ort nahmen sie Häuser und Straßen unter Feuer.

Mit Hilfe der Hisbollah

Erst drei Tage später konnten die Einwohner fliehen, wie sich Rita Haddad erinnert. Die Mutter von vier Kindern hatte sich bei dem Angriff in eine der Höhlen geflüchtet, die in den steilen Felswänden liegen. Sie floh nach Damaskus. In Maalula verschanzten sich die Kämpfer in den Kirchen und Wohnhäusern, übernahmen das Kloster der heiligen Thekla, aus dem sie kurz vor Weihnachten die Oberin, zwölf Ordensfrauen und zwei Hausangestellte entführten , um Gefangene freizupressen. Täglich kam es zu Kämpfen mit der Armee; die Verwüstung begann. Als die syrischen Streitkräfte im März 2014 die Kampfverbände aus den Qalamoun-Bergen an der Grenze zum Libanon zurückdrängen konnten, war der Weg zum Felsplateau über Maalula frei. Geholfen hatte auch die schiitische Hisbollah, deren Fahne neben einem Kreuz im Wind flattert.

Das Bild zeigt verlassene Häuser am Berghang.
Bild: ©KNA

Blick auf Maalula im Juni 2014. Der Ort ist verlassen. Häuser liegen in Trümmern, Fenster sind aus den Rahmen gesprungen, Wände und Türen verkohlt. Kaum eine der zahlreichen Kirchen hat noch ein Kreuz.

Majd Haddad stammt aus Maalula und bewacht das Kloster des heiligen Sergius. Das Schlimmste war für ihn, dass Nachbarn aus dem Ort die Kämpfer unterstützt und gefeiert hätten, erinnert er sich. Die sunnitisch-muslimische Familie habe seit Generationen in Maalula gelebt; sie seien "wie Geschwister" gewesen. Doch nach dem, was geschehen sei, werde man nie wieder zusammenleben können, sagt Majd Haddad. Rita Haddad stimmt ihm zu: "Unmöglich", flüstert sie leise - wie könnte das gehen? Dann verschränkt sie die Arme, schließt die Augen und betet das Vaterunser in aramäischer Sprache. Majd Haddad hat die Waffe vor der Kirche abgelegt. Still steht er da in den Trümmern. Durch ein riesiges Loch in der Kuppel fällt gleißendes Licht der Mittagssonne.

3.000 Menschen und kein Militär

Am Fuße der Felsen liegt das Kloster der heiligen Thekla. Die ersten Gebäude des Frauenklosters entstanden im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Kurz vor dem Krieg war es ein wichtiger Wallfahrtsort mit einem Waisenhaus. Nun ist der Eingang zerstört, der Treppenaufgang ist mit Geröll und den Resten einer abgehakten Kiefer verschüttet. Im Inneren des Klostergangs steigt Brandgeruch mit einer Brise Weihrauch in die Nase. Im Innenhof werden in einer Schubkarre Papierreste verbrannt. Einer der Wächter öffnet das Tor zur Kirche: Das Innere ist vom Boden bis in die hohe Kuppel verbrannt.

Konstantin Khoury war Imker, bis der Krieg auch Maalula erreichte und er sich den Nationalen Verteidigungskräften anschloss. Er wisse nicht, warum die Kämpfer gekommen seien, sagt der 46-Jährige: "Hier gab es kein Militär, die Stadt ist strategisch unwichtig. Hier lebten nur knapp 3.000 Menschen, und wir Christen wollten den Krieg nicht." Dass die Kämpfer dennoch in die Stadt eingefallen seien, könne nur einen Grund haben: "Sie wollen uns Christen auslöschen und unsere Geschichte dazu." Doch das werde nicht gelingen, zeigt sich Khoury überzeugt: "Wir waren vor den Muslimen hier. Wir haben Syrien die Kultur gebracht. Wir sind die ursprüngliche Bevölkerung, wir werden bleiben."

Von Karin Leukefeld (KNA)