Fleischfabrikant Tönnies will das Image seiner Branche aufpolieren

Sozialcharta nach Kirchenprotest

Veröffentlicht am 07.02.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Arbeit

Düsseldorf ‐ Sauber" ist ein Lieblingswort von Clemens Tönnies. Der größte deutsche Fleischfabrikant aus dem ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück will das wegen Lohn- und Sozialdumpings ramponierte Ansehen seiner Branche gründlich aufpolieren. Für die bundesweit 6.600 Beschäftigten des Fleischkonzerns soll künftig eine "Sozialcharta" gelten, kündigte Tönnies am Donnerstagabend vor Journalisten in Düsseldorf an. "Wir werden das sauber regeln." Vorbild dafür sei der sogenannte "Sögeler Weg".

  • Teilen:

Im katholischen Emsland hatten die Kirchen dem Fleisch-Tycoon kräftig ins Gewissen geredet, als die Klagen über den Umgang mit bulgarischen und rumänischen Leiharbeitern in seinem Sögeler "Weidemark"-Werk immer lauter wurden. Auch die Gewerkschaften werfen Tönnies und anderen großen Fleischfabrikanten "Schindluder" mit Werkverträgen vor. Von "Hungerlöhnen", "Ausbeutung" und "modernem Sklaventum" ist die Rede.

Nun hat sich der Firmenchef mit Vertretern von Kirchen und Kommune sowie seinen Werksvertrags-Unternehmen an einem "runden Tisch" auf einen "Verhaltenskodex" mit Sozialstandards verständigt. Ziel dieser zunächst nur für die 1.200 Beschäftigten in Sögel geltenden Vereinbarung ist die "Verbesserung der Wohn-, Lebens- und Arbeitssituation aller ausländischen Mitarbeiter". Es geht um Mindestlohn, angemessene Unterkünfte und Freizeitangebote. In Sögel betreiben die Kommune und das Kolping-Werk die bundesweit erste Beratungsstelle für Werkvertragsarbeiter.

Mehr als ein Drittel der Belegschaft sind Leiharbeiter aus Bulgarien, Polen und Rumänien

Mehr als ein Drittel der Tönnies-Belegschaft, die pro Jahr insgesamt 16,8 Millionen Schweine von etwa 24.000 Landwirten verarbeitet, sind Leiharbeiter aus Bulgarien, Rumänien und Polen. Weil es auf dem deutschen Arbeitsmarkt keine Kräfte gebe, müsse er gegenwärtig 2.500 bis 2.700 Mitarbeiter per Werkvertrag über ausländische Subunternehmer beschäftigen, beteuert der Unternehmer.

Bild: ©picture alliance/augenklick pixel/firo Sportphoto

Clemens Tönnies ist Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Tönnies Fleisch und Aufsichtsratschef des FC Schalke 04.

Vor wenigen Wochen hatte sich auch der nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister Guntram Schneider (SPD) darüber empört, dass es in der industriellen Fleischverarbeitung inflationäre Verstöße gegen den Arbeitsschutz gebe. Auch die Beschränkung der Arbeitszeit werde vielfach ignoriert. Zudem hausten die Leiharbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen auf engstem Raum. Dabei nahm Schneider vor allem Tönnies unter Beschuss, der auch Aufsichtsratschef des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 ist.

Inzwischen hat Schneider das Werk in Rheda-Wiedenbrück besucht und sich mit dem Branchenführer ausgesprochen. "Mangelnder Informationsaustausch führt zu ständigen Gerüchten", klagt der hemdsärmelige Firmenchef. Die Vorwürfe des Ministers seien "ausgeräumt". Tatsächlich hätten die Behörden in seinem Betrieb etwa 300 Verstöße gegen die Arbeitszeitverordnung moniert. Aber dies sei oft "eine Frage der Definition". So könne die An- und Abreise zum Werk doch nicht der Arbeitszeit zugerechnet werden. Auch die angebliche Häufung von Betriebsunfällen durch Stichverletzungen bei den Zerlege-Kolonnen seien aufgebauscht worden. Wegen "unterdurchschnittlich hoher" Zahlen an Arbeitsunfällen bekomme sein Unternehmen sogar regelmäßig Versicherungsgelder erstattet.

Tönnies: Ein Werkvertrag komme kaum billiger als eine Festanstellung

Die Werkverträge verteidigt der Fleischfabrikant, ein Verbot würde seiner Branche "das Genick brechen". Tönnies: "Dann müssten wir unsere Produktion ins Ausland verlagern." Ein Werkvertrag komme kaum billiger als eine Festanstellung. Es gehe dabei allein um die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte. "Von mir aus können die am Ende alle hierbleiben", sagt Tönnies. Seit Inkrafttreten der uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen im Januar werbe er bei ihnen um Mitarbeiter für seine Stammbelegschaft. Damit deren Familien zügig nachkommen könnten, habe er in Rheda-Wiedenbrück sogar einen Betriebskindergarten eingerichtet. Und für seine 20 Betriebs-Fußballmannschaften habe er auf dem Firmengelände ein eigenes Stadion gebaut.

Warum ihm gerade die Kirchen den rechten Weg gewiesen haben, fragt ein Medienvertreter den Unternehmer. Die Antwort fällt kurz und knapp aus: "Auf dem flachen Land hat die Kirche noch was zu sagen."

Von Johannes Nitschmann (KNA)