Joachim Wiemeyer über kirchliche Professionalität und Transparenz

Sozialethiker gegen hohe Pensionsrücklagen der Bistümer

Veröffentlicht am 15.02.2018 um 11:45 Uhr – Lesedauer: 
Finanzen

Bochum ‐ Es gibt Bistümer, die das Zehnfache ihres Jahreshaushaltes sparen und auf den Kapitalmärkten investieren, sagt der Sozialethiker Joachim Wiemeyer. Das sei mit der Lehre der Kirche aber nicht vereinbar.

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Erst meldet das Erzbistum Hamburg eine Überschuldung von fast 80 Millionen Euro. Dann wird bekannt, dass die Diözese Eichstätt wegen dubioser Immobilien-Darlehen in den USA einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe verursacht hat. Der Bochumer Sozialethiker Joachim Wiemeyer kritisierte am Donnerstag im Interview strukturelle Defizite in der kirchlichen Finanzverwaltung.

Frage: Herr Professor Wiemeyer, was läuft schief im Finanzwesen der katholischen Kirche?

Wiemeyer: Das Beispiel Eichstätt offenbart nach wie vor gravierende institutionelle Defizite in der kirchlichen Finanzverwaltung. Ein Bischof ist verpflichtet, dafür fachkundige Personen einzusetzen, also entsprechend vorgebildete Laien und keine theologisch ausgewiesene Kleriker. Dies hatte bereits die Bischofssynode von 1971 gefordert. In Eichstätt wirkte sich ein für die Kirche typischer Fehler aus: zu großes Vertrauen in Personen und Mangel an einer unabhängigen Kontrolle. Diese Ursache blinden Vertrauens hatte es bereits beim Zusammenbruch der Caritas-Trägergesellschaft Trier (ctt) gegeben. Unzureichende innerkirchliche Kontrollverfahren führen dazu, dass Täter vor Gericht mildernde Umstände erhalten, weil die Kirche ihnen die Tat zu leicht gemacht hat.

Frage: Nach dem Skandal um den Limburger Domberg haben sich die Bistümer doch mehr Professionalität und Transparenz auf die Fahnen geschrieben. Mehrere Diözesen haben inzwischen Finanzberichte nach den Standards des Handelsgesetzbuches (HGB) vorgelegt. Wie weit ist die Kirche mit dem Systemwechsel vorangekommen?

Wiemeyer: Das ist von Diözese zu Diözese unterschiedlich. Köln und Freiburg haben zum Beispiel sehr ausführliche Berichte vorgelegt. Es gibt aber immer noch kein einheitliches Berichtswesen für alle deutschen Bistümer. Die Bundesländer etwa veröffentlichen eine gemeinsame Statistik, anhand derer sie ihre Finanzkraft darstellen. Die Kirche gibt solche Zahlen nicht heraus; diese existieren nur intern. Das ist in der Schweizer Kirche ganz anders, wo man sogar den Vermögensbestand jeder Pfarrei im Internet nachlesen kann. Im Übrigen: Ich bezweifle, dass die HGB-Standards angemessen sind für die Kirche.

Frage: Inwiefern?

Wiemeyer: Der Nestor der katholischen Soziallehre, Oswald von Nell-Breuning, ist immer für ein Umlageverfahren in der Alterssicherung nach dem Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung eingetreten: Die jeweils junge Generation finanziert die Bezüge der alten Menschen. Dieses Prinzip beißt sich aber mit der kaufmännischen Rechnungslegung des HGB. Denn diese fordert für die Pensionslasten eine volle Kapitaldeckung. Das führt dazu, dass die Bistümer Millionen an Rücklagen bilden müssen, der gegenwärtigen Niedrigzinsentwicklung am Kapitalmarkt hinterhersparen und mit dem Geld am Finanzmarkt spekulieren. In Eichstätt ist das jetzt gründlich schief gelaufen. Und mit Blick auf Hamburg kann ich sagen: Die Schulden dort sind aufgrund der Pensionslasten nur ein rechnerisches und bilanzielles Defizit. Leider hat das Erzbistum den dazugehörigen Bericht der Unternehmensberatung Ernst & Young nicht veröffentlicht. Auch das hat wenig mit Transparenz zu tun.

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Die Kirchen in Deutschland finanzieren sich weitgehend über die Kirchensteuer. Was passiert mit der Abgabe? Und warum gibt es die Kirchensteuer überhaupt?

Frage: Aber mittelfristig sinkt die Zahl der Katholiken und damit die Kirchensteuereinnahmen. Müssen die Bistümer sich nicht zurecht darauf einstellen und Geld auf die hohe Kante legen?

Wiemeyer: In den vergangenen Jahren verzeichneten fast alle Bistümer steigende Kirchensteuereinnahmen. Da im Koalitionsvertrag keine Steuersenkung vorgesehen ist, wird dies in der nächsten Wahlperiode so bleiben. Hamburg hat zudem Kirchenmitglieder dazugewonnen und auch dadurch seine Einnahmen gesteigert. Natürlich müssen die Bistümer mit Blick auf die demografische Entwicklung und konjunkturelle Schwankungen vorsorgen. Aber es kann nicht sein, dass sie ein Vielfaches und teils das Zehnfache ihres Jahreshaushaltes zurücklegen und auf den Kapitalmärkten investieren. Nach der Lehre der Kirche ist das Kirchengut vor allem für die Armen bestimmt.

Frage: Und das heißt?

Wiemeyer: Statt das Geld anzuhäufen, sollte es lieber für kirchliche Schulen in benachteiligten Stadtteilen oder für Kitas in Regionen mit hohem Migrantenanteilen ausgegeben werden.

Frage: Einige Bistümer wie Köln, Paderborn und München kommen auf Milliardenvermögen. Wie erklären Sie sich das?

Wiemeyer: Das hat zum einen historische Gründe. Sehr alte Bistümer mit Regionen einer überwiegend katholischen Bevölkerung konnten auch nach den Enteignungen von 1803 wieder erhebliches Kapital ansammeln. Zudem liegen die von Ihnen genannten Diözesen in prosperierenden Wirtschaftsregionen, was eine gute Einnahmenbasis mit sich bringt.

Frage: Die finanzschwachen Ostbistümer bekommen von den Westdiözesen einen Soli, über dessen Fortsetzung zurzeit verhandelt wird. Auch finanziell weniger gut ausgestattete Diözesen wie Hamburg oder Essen erwarten auf mittlere Sicht Unterstützung von vermögenden Diözesen. Wie stehen Sie zu dieser Forderung?

Wiemeyer: Jede Diözese ist für ihre eigenen Finanzen selbst verantwortlich. Wenn es aber krasse Unterschiede im Einnahmenbereich gibt, dann sollte es nach dem Solidaritätsprinzip der katholischen Soziallehre auch einen Finanzausgleich geben. Maßstab muss hierbei das Kirchensteueraufkommen pro Kopf sein. Doch eine Statistik mit vergleichbaren Daten haben die Bistümer nicht veröffentlicht. Auch ein Manko in der Transparenz.

Frage: Ein derzeit heiß diskutiertes Thema ist der Haushalt für den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD), mit dem deutschlandweite überdiözesane Aufgaben finanziert werden. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) fordert nicht nur mehr Geld für diesen Topf, sondern auch mehr Mitsprache der katholischen Laien bei den Ausgaben über eine Art Bundeskirchensteuerrat.

Wiemeyer: Dem schließe ich mich an. Auf dieser Ebene werden bislang keine großen Zahlenwerke veröffentlicht; das beschränkt sich nur auf ein bis zwei Seiten. Es geht nicht an, dass ohne öffentliche Diskussion und innerkirchliche Beteiligung über dieses Geld entschieden wird.

Von Andreas Otto (KNA)