Feige: Spaltung schadet der Glaubwürdigkeit
Der katholische "Ökumenebischof" Gerhard Feige hat zu weiteren Schritten gegen die "konfessionelle Spaltung" aufgerufen. Sie sei "zu einem großen Teil dafür mitverantwortlich, dass das Christliche und Kirchliche in unserer Gesellschaft an Bedeutung und Glaubwürdigkeit verloren hat", sagte Feige am Mittwoch in der evangelischen Wittenberger Stadtkirche Sankt Marien. Für viele Menschen sei es "nicht mehr verständlich, wieso es eine gespaltene Christenheit gibt". Feige sprach einem Gottesdienst zur Themenwoche Ökumene im Rahmen der Weltausstellung Reformation.
Der Vorsitzende der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz betonte, die Spaltungen hätten auch zwangsläufig zu Einseitigkeiten geführt. Jede der christlichen Traditionen habe bestimmte Elemente als das für sie Spezifische herausgestellt und sich entsprechend von den charakteristischen Merkmalen der anderen distanziert. "Ökumene ist notwendig, damit wir unsere konfessionellen Einseitigkeiten überwinden und uns gegenseitig vermitteln, was wir in unserer jeweiligen Tradition nicht entsprechend haben festhalten können", sagte Feige.
Der Bischof des Bistums Magdeburg erinnerte auch an die konfessionell gemischten Ehen, "die oftmals mit ihren Problemen und Schwierigkeiten zwischen den Kirchen stehen". Aus konfessionellen Gegensätzen hätten sich überdies gesellschaftliche Tragödien ergeben oder stünden damit in Verbindung, räumte der Bischof ein. Er verwies auf die Konflikte in Nordirland, im ehemaligen Jugoslawien und in der Ukraine.
Kardinal Kasper: Reformationsjahr muss Ökumene voranbringen
Früher am Tag äußerten sich weitere prominente Kirchenvertreter zum Auftakt der Themenwoche. Der frühere vatikanische "Ökumeneminister", Kardinal Walter Kasper, rief die Kirchen zu einer stärkeren Annäherung auf. "Das Reformationsjahr darf nicht nur bei schönen Worten und Gesten bleiben", sagte er. Es müsse "mit einer verbindlichen Entscheidung zum weiteren Weg enden".
Als eine mögliche "praktische Folge" der bereits erreichten Nähe nannte Kasper die Zulassung von Ehepartnern unterschiedlicher Konfession zu Abendmahl und Eucharistie. Kasper bezeichnete es als Ziel der Ökumene, "eine für alle akzeptable Form der Kirchengemeinschaft zu finden". Er kritisierte zugleich, dass die Kirchen die Fortschritte nicht aufgenommen hätten, die ihre Dialoggremien in den vergangenen Jahren erreicht hätten. Wichtige Fragen, die die Kirchen getrennt hätten, seien "unter Theologen längst gelöst". Es sei wichtig, dass die Kirchen die erlangte Übereinstimmung "in einer weithin säkularisierten Welt" stärker deutlich machten.
Kasper hob die Bedeutung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre hervor, die Katholiken und Lutheraner 1999 unterzeichneten. Das Konsensdokument habe es möglich gemacht, dass die Kirchen das Gedenken an 500 Jahre Reformation nun als "Christusfest" gemeinsam feiern könnten. Er räumte ein, dass es weiterhin unterschiedliche Positionen etwa zu den Sakramenten, zum Kirchenverständnis und zur Stellung des Papstes gebe. Aber auch dazu lägen bereits Dialogdokumente vor und sei eine weitere "Aufarbeitung" im Gange.
Käßmann hofft auf Abendmahlsgemeinschaft bis 2030
Der Kardinal betonte die Rolle von Papst Franziskus in der Ökumene. Es sei auch ihm zu verdanken, dass es in den Pfingstkirchen "wachsendes Interesse" an der Ökumene gebe. Er nannte auch das Papstschreiben "Amoris laetitia" von 2016, in dem Franziskus die Gewissensfreiheit hervorgehoben habe. Dies könne zu einem "ökumenischen Brückenbau" beitragen. Kasper bemängelte jedoch wachsende Unterschiede der Kirchen in ethischen Fragen wie der Bewertung von Abtreibung, Euthanasie sowie Ehe und Familie.
Bei einem Podium zum Vortrag äußerte die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, die Hoffnung, dass die Abendmahlsgemeinschaft von Katholiken und Protestanten bis 2030 möglich sei. Dann ist das 500-Jahr-Jubiläum der "Confessio Augustana", einer grundlegenden Bekenntnisschrift evangelischer Kirchen.
Der Berliner evangelische Kirchenhistoriker Christoph Markschies betonte, in der Ökumene könnten auch "Zwischenlösungen" ein Ansporn sein, nach weiterer Einheit zu suchen. Der katholische Bibelwissenschaftler Thomas Söding sagte, die sich theologisch nahe stehenden Lutheraner und Katholiken könnten dabei eine "Pionierfunktion" für die anderen Konfessionen haben. (luk/KNA)