Spannende Spurensuche nach jüdischen Orten
So bunt ist Deutschland selten. Wer die neue virtuelle Landkarte "Jewish Places" im Internet besucht, sieht – bei einem Blick über die gesamte Bundesrepublik – tausende bunte Markierungen. Jede einzelne dieser Markierungen steht für eine historische oder heutige jüdische Einrichtung und damit für die ganze Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland.
"Jewish Places" ist ein Projekt des Jüdischen Museums Berlin. Gemeinsam mit zahlreichen Kooperationspartnern will das Museum mit der neuen Internetseite ab diesem Donnerstag einen zentralen Ort schaffen, an dem interessierte Nutzer Informationen über das Judentum in Deutschland erhalten können. "Das Kooperationsprojekt vereint jetzt sämtliche Informationen im Netz auf einer Karte. Mit der Visualisierung von Lokalgeschichte sensibilisieren wir für die gemeinsame Vergangenheit und Gegenwart", sagte Léontine Meijer-van Mensch, die Programmdirektorin des Museums, vor dem offiziellen Launch der Seite.
Nutzer sollen weitere jüdische Orte markieren
Wer also wissen möchte, ob es in seiner Stadt oder Region eine jüdische Einrichtung gab oder gibt, wird möglicherweise auf "Jewish Places" fündig. Möglicherweise deshalb, weil die Karte längst noch nicht alle Einrichtungen verzeichnet. Doch das soll sich ändern – auch mit der Hilfe der Nutzer. "Jewish Places" will seine Nutzer nach Angaben des Museums dazu ermuntern, sich selbst auf Spurensuche nach jüdischen Orten zu begeben, diese auf der Karte zu markieren und mit eigenen Bildern, Filmen und Texten aktiv Inhalte beizutragen. Dadurch solle das Portal kontinuierlich wachsen und die Inhalte auf der Internetseite stetig ergänzt und verbessert werden.
Zum Start sind auf der Karte laut dem Museum 8.500 aktuelle und historische Einrichtungen eingetragen, die in den vergangenen drei Jahren zusammengetragen worden seien. Außer Synagogen und jüdischen Friedhöfen können die Nutzer zum Beispiel auch jüdische Vereine, Cafes und Unternehmen entdecken. Zudem werden auf der Seite ausgewählte Biografien und virtuelle Spaziergänge präsentiert, bei denen man sich an jüdische Orte führen lassen kann, um mehr über das jüdische Leben und die jüdische Kultur zu erfahren.
Linktipp
Die neue Internetseite "Jewish Places" erreichen Sie über den unten stehenden Link.Im niedersächsischen Oldenburg etwa umfasst der Spaziergang, den man entweder virtuell über "Jewish Places" und real vor Ort abgehen kann, elf Stationen. Unter anderem präsentiert der Rundgang Informationen über die alte Synagoge, die am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten niedergebrannt wurde, sowie über das neue jüdische Gotteshaus in der Stadt, das seit 1995 existiert. Weitere Ziele des Spaziergangs sind der alte jüdische Friedhof sowie der ehemalige Gefängnishof, in dem am Tag nach der Reichspogromnacht der "Judengang" endete, bei dem alle jüdischen Männer von Mitgliedern der "Sturmabteilung" durch die Stadt getrieben worden waren.
"Heute sind in Deutschland Orte jüdischen Lebens vielfach nicht mehr so zu erkennen", erklärt Projektleiterin Barbara Thiele. "Mit 'Jewish Places' wollen wir sie der Öffentlichkeit frei zugänglich machen. Und wir wollen in den Diskurs über Diversität und Toleranz eingreifen." Im Internet gebe es zwar jede Menge Informationen und Seiten zu jüdischem Leben. Nun seien mit "Jewish Places" jedoch erstmals zahlreiche Informationen und Forschungsinhalte gebündelt und "zielgruppenorientierter" abrufbar.
Angebot auch für Schüler und Studierende
"Jewish Places" soll sich nach dem Willen seiner Macher zudem am Bedarf lokaler Einrichtungen orientieren und Einsatz in der Bildungsarbeit von regionalen Projekten finden. So würden Schulen und Universitäten frei verfügbare Workshop-Anleitungen zu "Jewish Places" angeboten, um jüdische Geschichte vor Ort digital erlebbar zu machen. Der fachübergreifende Ansatz solle Schülern und Studierenden dabei helfen, gesellschaftliche, geschichtliche und räumliche Bezüge zum Thema herzustellen.
Internationales Vorbild und Orientierungspunkt für "Jewish Places" ist das polnische Projekt "Virtual Shtetl" des Museums der Geschichte der polnischen Juden (POLIN) in Warschau. Auch diese Internetseite bietet etwa eine Landkarte und ausgewählte Biografien von Juden an. Hinzu kommt eine Rubrik "Oral History", also von Zeitzeugen überlieferte Berichte.