Sportpfarrer Nonte über die Olympischen Winterspiele in Sotschi

Sportsgeist verträgt sich nicht mit Ausbeutung

Veröffentlicht am 30.01.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Olympia

Langenfeld ‐ In gut einer Woche starten die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi. Für Thomas Nonte eine Premiere. Erstmals nimmt der 52-Jährige als katholischer Sport- und Olympiapfarrer an den Spielen teil. Im Interview erläutert er, was ihn dabei bewegt und geht auch auf die Kritik ein, im Vorfeld des sportlichen Großereignisses laut wurde.

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Frage: Pfarrer Nonte, Sie sind zum ersten Mal bei Olympischen Spielen. Worauf freuen Sie sich besonders?

Nonte: Ich bin gespannt auf die Sportlerinnen und Sportler aus so vielen Nationen, auf die Stadien, auf die Wettkämpfe, auf die Medaillen. Auf Sportarten, die ich nicht oder nur aus dem Fernsehen kenne. Und ich bin neugierig auf das Land und darauf, ob und wie der olympische Geist wehen wird.

Frage: Wie muss man sich Ihre Arbeit in Sotschi denn konkret vorstellen?

Nonte: Mein evangelischer Kollege und ich bieten Gottesdienste an. Wir besuchen Wettkämpfe, sind abends im Deutschen Haus und ansonsten rund um die Uhr erreichbar. Ähnlich wie zu Hause in einer Pfarrei: Wenn etwas passiert, sind wir selbstverständlich vor Ort.

Thomas Nonte, seit März 2013 katholischer Sportpfarrer, steht vor einer antik anmutenden Sportlerstatue im Deutschen Sport __amp__ Olympia Museum in Köln.
Bild: ©KNA

Thomas Nonte, seit März 2013 katholischer Sportpfarrer, im Deutschen Sport __amp__ Olympia Museum in Köln.

Frage: Was können solche Kontakte bringen?

Nonte: Oft entwickelt sich aus ein wenig Small Talk ein ganz ernsthaftes Gespräch. Viele überlegen ja schon, wie es nach Olympia weitergeht. Andere bringen ihre Sorgen von zu Hause mit und können auch in Sotschi nicht ganz abschalten. Und dann tut es hoffentlich gut, mal mit einem unabhängigen Menschen vertraulich darüber zu reden. Und auch zu beten!

Frage: Beten Sie auch um Medaillen?

Nonte: Ich sage zu den Sportlern gerne: "Natürlich bete ich, dass Du gewinnst." Dieses Beten schafft allerdings keine Garantie, dann würde sich Gott ja sehr einseitig einschalten. Beten ist Garantie für etwas anderes. Dass ich im Augenblick des Erfolgs spüre: Das ist ein Geschenk. Beten kann auch zu einer inneren Ruhe verhelfen. Denn egal was passiert, ob ich gewinne oder verliere, bei Gott bin ich immer Erster. Also die Medaille des Himmels ist mir sicher.

Frage: Im Vorfeld gab es ja viele Debatten über Sicherheit, Menschenrechte, Umweltschäden. Wird da manchmal der olympische Geist mit Füßen getreten?

Nonte: Der Sportsgeist verträgt sich überhaupt nicht damit, dass man ohne Rücksicht auf die Umwelt Sportstätten aus dem Boden stampft, dass man Menschen ausbeutet , sie schlecht behandelt oder sogar ins Gefängnis sperrt. Das sollte uns hellwach machen vor Ort, wo wir das auch immer wieder ansprechen sollten. Und vor allem sollten wir für die Zukunft lernen - etwa für die nächsten Ausschreibungen für Olympische Spiele.

Frage: Darf man trotzdem in Sotschi eine große Party des Sports feiern?

Nonte: Wir dürfen nicht die Augen verschließen und nicht den Mund halten. Aber wir dürfen dem Sport auch nicht jede moralische Verantwortung aufhalsen. Wir bekommen Gas aus Russland. Viele Wirtschaftsvertreter und Politiker pflegen enge Kontakte ins Land, treffen sich zu Gipfeln und Kongressen. Auch da darf man nicht die Augen vor den kritischen Punkten verschließen…

Frage:… zu denen auch der Umgang mit dem Thema Homosexualität gehört.

Nonte: Und der ist für mich ein Riesenskandal in Russland! Denn jeder muss das Recht haben, in jedem Land nach seiner eigenen freien Entscheidung zu leben. Dass man dafür eingesperrt wird, manchmal verschleppt wird, kann man nur skandalös nennen. Da müssen wir protestieren, auch als Kirche! Das muss ich so deutlich sagen, denn jeder hat das Recht, beschützt zu werden in seiner Würde.

Frage: Sollten Sportler in Sotschi Zeichen setzen gegen Menschenrechtsverletzungen oder Diskriminierungen?

Nonte: Ich bin mir sicher, dass sie sich erstmal auf den Wettkampf konzentrieren. Das steht nach einer solchen Vorbereitung natürlich ganz obenan. Aber natürlich schalten die Sportler weder Hirn noch Herz aus! Die machen sich ihre eigenen Gedanken. In den Wettkämpfen aber herrscht eine gewisse Neutralität, und das finde ich auch richtig so.

Frage: Fürchten Sie Probleme mit Doping und anderen Schattenseiten des Sports?

Nonte: Schon die Bibel zeigt uns die klassischen menschlichen Versuchungen. Und wer zu verbissen hinter der Medaille her ist - um jeden Preis sozusagen, der kann auch einen hohen Preis dafür zahlen. Denn beim Doping verliert nicht nur die Seele, sondern auch der Körper, die Gesundheit. Es ist eine große Versuchung - auch für uns Zuschauer!

Frage: Für die, die immer nur nach dem Medaillenspiegel schielen?

Nonte: Wenn wir als Zuschauer Spiele wünschen, die nicht nur vom Geld regiert werden, in denen Doping nicht das letzte Wort hat und in denen die Freiheit der Sportler geehrt wird - dann setzt das voraus, dass wir in Kauf nehmen, dass unsere Nation nicht immer ganz oben steht. Oder positiv formuliert: Vielleicht sollten wir mal dem applaudieren, der Platz 5 erreicht.

Das Interview führte Gottfried Bohl (KNA)