Sternberg: Kirche soll nicht moralisch stigmatisieren
In der Debatte über den Familiennachzug für Migranten mit befristeter Aufenthaltserlaubnis hat sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gegen eine moralische Stigmatisierung der Kritiker gewandt. Diese dürfe man "nicht einfach als unchristlich abtun", auch wenn "wir in der Abwägung der Güter zu einem anderen Ergebnis kommen", sagte Präsident Thomas Sternberg am Freitag in Bonn. Zu Beginn der diesjährigen Herbstvollversammlung des ZdK warnte er die christlichen Kirchen davor, ihre Position "von einem zu hohen moralischen Ross herab zu verkünden".
Hinter dem vehementen Eintreten kommunaler Spitzenvertreter und Spitzenverbände für die weitere Aussetzung des Familiennachzugs stehe die "nachvollziehbare Sorge um die Grenzen der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit vor Ort", so Sternberg. Der Familiennachzug für Migranten mit befristeter Aufenthaltserlaubnis war ein zentraler Streitpunkt der gescheiterten Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition.
Wenn zugewanderte Menschen als Konkurrenz und Bedrohung wahrgenommen würden, dürfe man das nicht ausblenden, "weil es unser Wunschbild von unserer Gesellschaft stört", sagte der ZdK-Präsident weiter. Ängste vor Ausländern und dem Islam müssten ernstgenommen werden. Zugleich bekräftigte der ZdK-Präsident die Forderung nach einem Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte. Die Bundesregierung hatte den Familiennachzug für diese Gruppe bis März 2018 ausgesetzt. Sternberg sagte: "Die Trennung von Ehepaaren und Familien auf lange Dauer ist aus christlicher und menschrechtlicher Perspektive nicht hinnehmbar".
Besorgt wegen "pauschaler Angst vor dem Islam"
Der Flüchtlingsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Stefan Heße, hat die Aussetzung des Familiennachzuges für bestimmte Flüchtlinge kritisiert. "Für uns als Christen ist die Einheit der Familie ein hohes Gut", sagte Heße. Es sei ethisch und verfassungsrechtlich "mindestens fragwürdig", wenn Familien über Jahre getrennt leben müssten. Dies sei auch nicht förderlich für die Integration von Flüchtlingen in Deutschland. Heße forderte, dass die Aussetzung des Familiennachzugs enden müsse. Heße, "Geistlicher Assistent" des ZdK, warb darüber hinaus für eine Integrationskultur. Diejenigen, die sich für Flüchtlinge hierzulande einsetzten, seien "Brückenbauer und Schlüsselpersonen für gesellschaftliche Teilhabe." Ein entsprechendes Engagement müsse auch weiterhin gefördert werden. Integration sei eine "Daueraufgabe". Heße betonte: "Wer davor die Augen verschließt, hat nicht verstanden, was da los ist."
Sternberg äußerte sich zudem besorgt über eine unterschwellige und zunehmend auch offen bekundete "pauschale Angst vor dem Islam". Er forderte eine "institutionelle Integration" des Islam. Nötig sei insbesondere eine bundesweite Einführung von islamischem Religionsunterricht als ordentliches Schulfach und ein Ausbau der islamischen Theologie an staatlichen Hochschulen. Sternberg kritisierte hierbei ausdrücklich die AfD. Deren Haltung, den Islam aus Schule und Universität herauszuhalten, sei "destruktiv" und öffne die Türen für die Verführung junger Menschen.
Zugleich stellte der ZdK-Präsident klar, dass er keinen gesetzlichen muslimischen Feiertag gefordert habe. Es sei ihm mit seinen Äußerungen zu Feiertagen vielmehr "um die Frage nach der christlichen Feiertagskultur" gegangen. Die Beschimpfungen und Zurechtweisungen, die er auch aus der Politik für diese Äußerungen erhalten habe, hätten ihm deutlich vor Augen geführt, "wie tief für viele Menschen der kulturelle Graben zum Islam scheint, wie tief die Ängste und Sorgen sitzen", erklärte Sternberg Er forderte einen Dialog zwischen "gläubigen Christen und gläubigen Muslimen": "So wie die Juden unsere älteren Geschwister im Glauben sind, sind die Muslime unsere jüngeren Geschwister." (tja/KNA)
24.11.2017, 15.15 Uhr: ergänzt um Statement von Erzbischof Heße