Streik in Klinik hat begonnen - Kritik von Caritas
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat am Mittwochmorgen ein Streik in einem Krankenhaus in katholischer Trägerschaft begonnen. Vor der Marienhausklinik im saarländischen Ottweiler versammelten sich um sechs Uhr rund zwei Dutzend Menschen zum Auftakt eines Warnstreiks für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Das rund 120 Betten zählende Krankenhaus gehört zur Marienhaus Stiftung der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, einem der größten kirchlichen Träger sozialer Einrichtungen in Deutschland.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi rechnet damit, dass im Tagesverlauf rund 20 der etwa 300 Beschäftigten dem Streikaufruf folgen. "Gefordert werden bessere Arbeitsbedingungen, um Patienten eine würdevolle und menschliche Pflege zukommen lassen zu können", sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Michael Quetting im Vorfeld des Streiks. Nur mit mehr Personal seien erträgliche Arbeitsbedingungen möglich. Die Trägergesellschaft habe die Verhandlungen jedoch für beendet erklärt, weshalb nun der Warnstreik erfolge.
Nach Angaben der Klinikleitung haben zur Frühschicht sieben bis acht Mitarbeiter ihre Arbeit niedergelegt. "Der Routinebetrieb läuft, insoweit läuft der Streik ins Leere", sagte Geschäftsführer Günter Merschbächer. Ob den Teilnehmern eine Abmahnung drohe, ließ er offen: "Arbeitsrechtliche Konsequenzen stehen für uns nicht im Vordergrund, sondern die Sicherung des Betriebes."
Als "Warnstreik zur falschen Zeit am falschen Ort" hat die Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas die Arbeitsniederlegung bezeichnet. Die Vertreter des Sozialverbands zeigten in einer am Mittwoch in Frankfurt veröffentlichten Erklärung kein Verständnis für die Aktion. Gerade in den vergangenen Wochen und Monaten sei zum Thema Personalbemessung "viel passiert"; Krankenhausträger und Mitarbeiter verbinde ein gemeinsames Interesse, Lösungsmöglichkeiten zur Entlastung der Pflegenden zu finden, so die Dienstgeber. Der Aufruf zum Streik sei verantwortungslos. Es bleibe "nichts anderes übrig, als die Mitarbeiter auf etwaige arbeitsrechtliche Konsequenzen hinzuweisen".
"Dritte Weg" - Kein Nachteil oder Irrweg?
Der "Dritte Weg" sei kein Nachteil für die Beschäftigten, sagte der Geschäftsführer der Marienhaus Gruppe, Heinz-Jürgen Scheid: "Die Personalbesetzung und die Arbeitsbedingungen in kirchlichen Betrieben sind sehr stark an den öffentlichen Dienst angelegt." Scheid zeigte Verständnis für die Verdi-Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Pflege. Dennoch sei ein Streik das falsche Mittel. "Das Thema ist auf Bundes- und Landesebene zu klären." Mehr Stellen in der Pflege müssten die Kliniken auch gegenfinanzieren können.
Die saarländische Landtagsvizepräsidentin Isolde Ries kritisierte hingegen den konsensorientierten "Dritten Weg" im kirchlichen Arbeitsrecht. "Dieser Sonderweg der Kirchen ist ein Irrweg, das Streikrecht ist ein Grundrecht", sagte die SPD-Politikerin zum Auftakt der Arbeitsniederlegung.
In den vergangenen Jahren gab es Streiks lediglich in evangelischen Einrichtungen. Katholische Mitarbeitervertretungen - in kirchlichen Einrichtungen das Gegenstück zu Betriebsräten - hatten sich jedoch mit Streiks solidarisiert, ohne daran teilzunehmen.
Das Grundgesetz gewährt den Kirchen das Recht, ihre Angelegenheiten weitgehend selbstständig zu regeln. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Möglichkeiten von Streiks und Aussperrung gelten für die Kirchen nicht. Alle Fragen des Tarifrechts werden durch paritätisch aus Dienstgebern und Dienstnehmern besetzte Kommissionen geregelt. Gewerkschaften kritisieren seit Jahren diesen außerhalb des allgemeinen Tarifvertragsrechts stehenden "Dritten Weg" konsensorientierter Lohnabschlüsse. Im November 2012 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Streiks in kirchlichen Betrieben unter stark eingeschränkten Bedingungen erlaubt sein könnten. (bod/KNA)