Der geplante Umbau der Berliner Hedwigskathedrale sorgt für Verstimmungen

Streit um eine Öffnung

Veröffentlicht am 08.09.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Erzbistum Berlin

Bonn/Berlin ‐ Acht Meter ist sie groß, die Öffnung vor dem Altar der Berliner Sankt Hedwigkathedrale. Eine Treppe führt hinab in die Krypta der Bischofskirche. Die Treppe ist zweigeteilt – genau wie die Meinungen über den derzeitigen Umbauplan der Erzdiözese, die Öffnung zu schließen. Mit einem offenen Brief haben Kritiker ihrem Ärger vergangene Woche Luft gemacht. Sie hoffen nun auf den neuen Erzbischof für Berlin.

  • Teilen:

Der Brief der 18 Denkmalschützer und Kunsthistoriker war direkt an die Deutsche Bischofskonferenz dessen Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx adressiert. Darin kritisieren sie neben den drohenden Kosten für den Umbau vor allem, dass mit dem Schließen der Bodenöffnung eine architektonische Besonderheit der Bischofskirche zerstört werde. Die kreisrunde Öffnung, die sich unmittelbar vor dem Altar befindet, ist für Kerstin Wittmann-Englert "aus kunsthistorischer Sicht umwerfend". Die Professorin für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin und Vorsitzende des Landesdenkmalrates ist eine der Autoren des offenen Briefes.

Kardinal Rainer Maria Woelki sah das als Erzbischof von Berlin anders. "Am Altar habe ich ein großes Loch vor mir", klagte er einst. Zudem sei die Gottesdienstgemeinde links und rechts "in zwei Lager geteilt". Schon die Verwendung des Wortes "Loch" hatte ihm damals Kritik eingebracht. Dafür hat sich der Kardinal zwar mittlerweile entschuldigt, doch vergessen ist der Zwist nicht.

Bild: ©Walter Wetzler

Der Siegerentwurf für die Neugestaltung des Innenraums der Hedwigkathedrale.

Öffnung einzigartig in Deutschland

"Es wird ja immer noch oft von einem Loch gesprochen", merkt Kerstin Wittmann-Englert an. Für den Denkmalschutz ist die Öffnung zur Krypta nämlich alles andere als das, sondern vielmehr ein Novum in der deutschen Kirchenarchitektur und außerdem einzigartig in Deutschland. Zudem sei der Architekt mit seiner Anordnung des Innenraums sogar der Liturgiereform von 1964 vorausgegangen. Die jetzige Form der Kathedrale sei eine frühe Umsetzung der "Celebratio versus populum", eine Feier mit dem Gesicht zum Volk hin, sagt Kunsthistorikerin Wittmann-Englert, die selber zum Thema Kirchenbau der Nachkriegszeit geforscht hat.

Über diesen Punkt lässt sich jedoch streiten. Die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium fordert zwar eine "bewusste und tätige Teilnahme" der Gläubigen, macht aber keine detaillierten Angaben zur Ausrichtung von Priester, Kirchenvolk oder Altar. In der Grundordnung des Römischen Messbuchs wird es jedoch konkreter. Dort steht, dass der Altar getrennt von der Wand zu errichten sei, sodass man ihn leicht "umschreiten" könne. Außerdem soll er "wahrhaft den Mittelpunkt" bilden, dem sich "die Aufmerksamkeit der ganzen Versammlung der Gläubigen von selbst zuwendet". Das Erzbistum, allen voran Kardinal Woelki, bemängeln genau diesen Aspekt. Die Gläubigen könnten sich nicht um den Altar versammeln.

"Kreative Lösung" vom Wettbewerb erhofft

Im November 2013 hat Kardinal Woelki deswegen einen Architektenwettbewerb ausgerufen, von dem er sich "kreative Lösungen" erhoffte. Eine Sanierung der Kathedrale war ohnehin vonnöten: Denn die Elektrik ist marode, die Fundamente feucht und die Wände verschmutzt. Am Chorgestühl gebe es außerdem schwarzen Schimmel, erklärt Stefan Förner, Sprecher der Erzdiözese, gegenüber katholisch.de.

Für Förner sei der offene Brief überraschend gewesen, vor allem, weil unter den Unterzeichnern auch Personen seien, die zuvor dem im Juni beendeten Architektenwettbewerb angehört haben. Außerdem seien die Bedenken der Denkmalschützer, die diese schon während des laufenden Wettbewerbs geäußert hatten, in der Preisbegründung genannt worden, so der Sprecher. Im Juli hatte das Erzbistum den Sieger bekanntgegeben: das Büro Sichau und Walter Architekten in Fulda, dessen Entwurf nun eine Schließung der Öffnung vorsieht.

Das wollen die Autoren und Unterstützer des offenen Briefes – darunter auch ein Professor für Liturgiewissenschaften in Tübingen - verhindern. Statt die Öffnung zu schließen, könnten beispielsweise in Kreisen angeordnete Bänke verwendet werden, schlägt Kunsthistorikerin Wittmann-Englert vor. "So werden die Gläubigen mit der Öffnung verbunden."

Doch ob es dazu kommt, ist unsicher: Denn das Erzbistum will an der Realisierung des Entwurfs festhalten, erklärt Pressesprecher Förner. Dies sei bei der Entwicklung des Wettbewerbs so vorgesehen gewesen. Es müsse aber zum Beispiel noch geprüft werden, ob der marode Berliner Untergrund den Umbau überhaupt mitmache. Außerdem brauche die "Konkretisierung des Entwurfs" noch "eine breite Abstimmung".

Unterzeichner kritisieren auch die drohenden hohen Kosten

In ihrem Brief kritisieren die Unterzeichner auch die drohenden hohen Kosten des Projekts. Ein "derart weitgehender Umbau" erscheine "im Hinblick auf den finanziellen Aufwand in vielstelliger Millionenhöhe" nicht gerechtfertigt, heißt es in dem Schreiben. Als Argument führen die Kritiker auch den Skandal um den Neubau am Limburger Domberg sowie die "materielle Bescheidenheit von Papst Franziskus" an. Natürlich koste auch die Denkmalpflege Geld, so Kunsthistorikerin Wittmann-Englert. "Aber die Frage ist, wie viel Geld wir wofür in die Hand nehmen." Wie viel der mögliche Umbau der Hedwigskathedrale am Ende kosten wird, ist noch unklar: Ein Finanzierungskonzept gibt es nach Angaben des Pressesprechers noch nicht. "Erst muss geprüft werden, wie gebaut wird", so Förner.

Doch bis dahin wird es wohl noch dauern. Denn seit gestern ist die Hauptstadtdiözese offiziell ohne Erzbischof – "und ohne Erzbischof wird sowieso nichts entschieden", sagt der Sprecher. Das wissen auch die Kritiker des Projektes. "Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um das Ganze noch einmal öffentlich zu diskutieren", sagt Wittmann-Englert. Das Gespräch zwischen Kritikern und Befürwortern wollen beide Parteien fortführen. "Aber nicht über offene Briefe", wünscht sich Förner.

Von Sophia Michalzik

Stichwort Hedwigskathedrale

Die Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale gehört zu den bedeutenden katholischen Gotteshäusern in Deutschland. Sie ist auch eines der historischen Wahrzeichen der Hauptstadt. Die Bischofskirche des Erzbistums Berlin hat jährlich über 200.000 Besucher. Geweiht wurde der runde Kuppelbau vor 240 Jahren, am 1. November 1773. Architektonisches Vorbild war das antike Pantheon in Rom. Zusammen mit Humboldt-Universität, Staatsoper und Königlicher Bibliothek bildet das Gotteshaus am Boulevard Unter den Linden das Ensemble des Forum Fridericianum. Die Planer waren Wenzeslaus von Knobelsdorff, Jean Laurent Legeay und Johann Boumann der Ältere. Der Bau entstand auch auf Initiative von Friedrich dem Großen. Anlass war die wachsende Zahl der Katholiken in Preußen durch den Ausbau der Armee und die Eroberung Schlesiens. Die Kirche ist nach der Patronin der neuen Provinz, der heiligen Hedwig von Schlesien (1147-1243), benannt. Seit der Weihe wurde die Kirche dreimal umgestaltet. Der bislang stärkste Eingriff fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt, in dem Bomben die Kathedrale bis auf die Umfassungsmauern zerstörten. Bis 1963 baute der renommierte Düsseldorfer Architekt Hans Schwippert (1899-1973) sie innen in modernen Formen wieder auf. Eine architektonische Besonderheit ist eine rund acht Meter große Bodenöffnung im Zentrum des Kirchenraums. Über eine Treppe ist damit die Unterkirche mit den Grabkapellen der Berliner Bischöfe und des seligen Dompropsts Bernhard Lichtenberg (1875-1943) erreichbar. Bei einer Neugestaltung des Innenraums wird die umstrittene Bodenöffnung nun geschlossen. (KNA)