Südwest-Diözesen vor Umbruch
Die junge Generation an Christen werde in zwanzig Jahren kleiner sein und auch nicht mehr dasselbe leisten können, zitiert ihn das Ordinariat am Freitag in einer Mitteilung. Mit Blick auf die sich rasch wandelnde Gesellschaft und die zurückgehende Zahl von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Kirche müsse überlegt werden, wie die Seelsorge im Erzbistum in Zukunft aussehen werde und gesichert werden könne, so Burger. "Vieles wird noch auf den Prüfstand müssen", kündigte der neue Erzbischof von Freiburg an. Den Gemeinden falle es schwer, von Aktivitäten Abschied zu nehmen und nicht wenige seien deshalb überlastet, diagnostizierte er.
Burgers schonungslose Analyse soll laut der Mitteilung des Ordinariats bei den Dekanen auf positive Resonanz gestoßen sein. Sie bescheinigten ihm demnach einen "realistischen Blick mit geistlicher Tiefe" und lobten die Offenheit und klare Positionierung. Burger hatte die Seelsorger davor gewarnt, sich selbst zu frustrieren: "Denn wir sind immer noch gewohnt, den Erwartungshaltungen anderer zu entsprechen, Kirche zu machen, uns aufzureiben, bis wir selbst am Ende, ausgebrannt oder gar krank sind."
Erstmals Laien in Ordinariatssitzungen
Mit Blick auf die Situation in der Seelsorge und auch der Ehrenamtlichen wurde bei der Dekane-Konferenz oft von "Entschleunigung" gesprochen. Der Erzbischof machte deutlich, dass er sein Amt "nur im Miteinander der verschiedenen Dienste" ausüben könne, die Dekane in seine Überlegungen einbeziehen und zunächst einmal das Gespräch mit den Engagierten vor Ort suchen wird. Bei Besuchen an der Basis werde er aber keine Sonderprogramme und Lösungspakete dabei haben, so Burger.
Der badische Erzbischof plant, dass erstmals auch nichtgeweihte Fachleute in das höchste Beratungsgremium der Erzdiözese eingebunden werden. Ab November sollen die Oberrechtsdirektoren Gertrud Rapp, Michael Himmelsbach und Johannes Baumgartner Mitglieder der Ordinariatssitzung werden. Seit Bestehen des Erzbistums bestand diese ausschließlich aus Bischöfen und Domkapitularen.
Neuaufbrüche auch im Schwabenland
In Stuttgart rief Bischof Fürst die Gemeinden seiner Diözese zu mutigen Neuaufbrüchen und zu einem wachen Blick auf ihr Lebensumfeld auf. Bei einem Gemeindeforum für haupt- und ehrenamtlich Engagierte kündigte er einen Erneuerungsprozess "Kirche am Ort" an. Auftakt dazu solle die Wahl der Kirchengemeinderäte im März 2015 sein. Es gehe darum, dass Gemeinden noch schärfer ihr Lebensumfeld erkennen und danach als dialogische, diakonische und missionarische Kirche handeln. "Ich möchte Ihnen Rückenwind geben für Ihr Wirken am Ort", sagte der Bischof den 150 Tagungsgästen.
Mit Blick auf den Zusammenschluss von Kirchengemeinden zu Seelsorgeeinheiten wies Fürst darauf hin, dass dies auch Chancen berge: "Wenn der Radius größer wird, dann rücken diejenigen in den Blick, für die wir eigentlich da sind, die Menschen auf dem Territorium von Kirchengemeinde und Seelsorgeeinheit." Dazu gehörten kirchlich eher Distanzierte und solche, „die nur gelegentlich vorbeischauen“ ebenso wie jene, die Kirche aktiv mit gestalten.
Nötig sei ein Blickwechsel, betonte Bischof Fürst: "Wir lernen als Kirche von allen Menschen, so unterschiedlich sie sind und so kirchendistanziert sie sich geben." Menschen, die sich von der Kirche verabschiedet haben, sollten nicht beklagt werden. "Vielmehr sollten wir uns fragen, was wir verändern können, damit sie uns als hilfreich erleben." 2015 sind in dem württembergischen Bistum alle hauptberuflichen Seelsorger zur Teilnahme an Schulungen mit dem Titel "Wandlung" verpflichtet, wie die Pressestelle mitteilte. Geplant seien 25 Veranstaltungen mit rund 1.500 Teilnehmern.
Bei all den bevorstehenden Umbrüchen im Südwesten dürfe jedoch der wahre Grund für das Engagement in der Kirche nicht vergessen werden, sagte der Freiburger Erzbischof Burger: "Zu alledem gibt es für unser Tun und Handeln den entscheidenden Grund überhaupt, den wir nie aus den Augen verlieren sollten: Unsere Beziehung zu Christus."
Von Agathe Lukassek