Theologe mit spirituellem Tiefgang
Der Wein ist bei Genn mitunter Bestandteil der Glaubenslehre. "Junger Glaube darf ruhig Säure haben", sagt er zu seinen jungen Zuhörern. Im höheren Alter sei der Glaube dann abgerundet wie ein über die Jahre ausgereifter Wein. Solche bildhaften Gedankenstränge sind typisch für den Theologen, der früher Christliche Spiritualität lehrte und den Priesterzweig der von Hans Urs von Balthasar gegründeten Johannesgemeinschaft leitet.
Aufgefallen ist Genn nicht zuletzt im Vatikan. Der Papst hat dem Geistlichen, der nahe der Eifel-Abtei Maria Laach aufwuchs und am vergangenen Donnerstag 64 Jahre alt wurde, eine Schlüsselposition übertragen: Als neues Mitglied der bedeutenden Bischofskongregation im Vatikan bereitet er Ernennungen von Oberhirten in der ganzen Welt vor. Mit dem Präfekten der Kongregation, dem kanadischen Kardinal Marc Ouellet, ist er seit langem gut bekannt.
Genns Lebensweg ist mit drei Bistümern eng verbunden: In der Diözese Trier wurde er 1999 Weihbischof. 2003 wechselte er ins Ruhrbistum nach Essen und setzte dort wegen rückläufiger Kirchenfinanzen und Katholikenzahlen eine schmerzhafte Bistumsreform durch: 259 Gemeinden legte er zu 43 Großverbünden zusammen. Seit fast fünf Jahren steht er an der Spitze der Diözese Münster - und fühlt sich dort auch als Rheinländer wohl.
Gesellschaftspolitische Bezüge im Hintergrund
Seine geistliche Ausrichtung und das Bemühen, schwierige theologische Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen, kennzeichnen seine Predigten. Gesellschaftspolitische Bezüge treten da eher in den Hintergrund.
Dennoch mischt Genn sich in Debatten ein und sucht dafür andere Foren: Jüngst wandte er sich beim Besuch einer Behinderteneinrichtung gegen eine "Romantik der Inklusion", denn Förderschüler gingen teilweise in Regelschulen unter. Genn warnte auch vor aktiver Sterbehilfe, einer restriktiven Flüchtlingspolitik oder sozialen Unterschieden. "Dann wächst der gesellschaftliche Spaltpilz."
Bei Reizthemen wie Zölibat und Frauenpriestertum verteidigt Genn geltende Lehre und Kirchendisziplin. Veränderungen sieht er skeptisch. "Es ist doch ein Irrtum zu glauben, dass Glaube und Kirche einen Sprung nach vorne machen, wenn diese Forderungen umgesetzt würden." Wenn Theologen oder Laien-Gremien aber nach Neuerungen rufen, will er die Diskussion darüber nicht verbieten. In Münster mit seiner sehr lebendigen theologischen Fakultät wäre das auch schwer vorstellbar. Wenn im Bistum Konflikte auftreten wie jüngst in Emmerich, wo ein Pfarrer Zu- und Widerspruch gleichermaßen erfährt, hört Genn geduldig zu. Am Ende kann er auch Entscheidungen treffen, die nicht auf allen Seiten Beifall finden.
Evangelische Familienpapier "richtiger Riss" im ökumenischen Mühen
In der Debatte über wiederverheiratete Geschiedene hielt sich Genn zurück. Die Frage sei, wie mit ihnen pastoral angemessen umgegangen werde, "ohne dabei der Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe zu widersprechen". Als "richtigen Riss" im ökumenischen Mühen bezeichnete er indes das evangelische Familienpapier, das auch homosexuelle Partnerschaften als kompatibel mit der Bibel sieht.
Gleichgeschlechtlich orientierte Menschen dürften nicht diskriminiert werden, so Genn. Wenn sich aber die Kirche gegen eine Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare wende, habe dies nichts mit Herabwürdigung zu tun.
Mehr als zwei Jahrzehnte war Genn in der Priesterausbildung tätig - als Subregens und Spiritual im Trierer Priesterseminar sowie als Leiter eines Studienhauses für Spätberufene. Gerade die Arbeit mit jungen Menschen liegt dem Bischof. Er ermuntert sie, sich in Gesprächskreisen über den Glauben auszutauschen - auch dies für ihn keine rein fromme oder gar trockene Sache. "Das kann anschließend noch gut mit Essen und Trinken verbunden sein - das ist doch wunderbar katholisch."