Über das, was im Innersten bewegt
Frage: Herr Pfarrer Maas, was ist für Sie das Attraktive an Berufen in der Kirche?
Maas: Das Schöne an kirchlichen Berufen ist, dass man den Glauben verkünden kann und von dem, was einen im Innersten betrifft und antreibt, Zeugnis ablegen kann. Eine intensive Begleitung geschieht natürlich auch in anderen Berufen, in denen Menschen mit anderen eng zusammen arbeiten. Aber in der Kirche kann man ihnen einen Sinn für ihr Leben aufzeigen wie nirgends sonst. Das geht weit über das reine Zusammensein, das "Gemeinschaft-Erleben" hinaus.
Frage: In allen Bistümern gibt es Ansprechpartner zu diesem Thema. Wofür braucht es dann noch das Zentrum für Berufungspastoral?
Maas: Wir arbeiten mit den Bistümern zusammen und ermöglichen den Austausch über Bistumsgrenzen hinaus. Gleichzeitig nehmen wir überdiözesane Aufgaben wahr: Dazu gehören zum Beispiel der einheitliche Auftritt der Berufungspastoral auf dem Katholikentag oder die Planung einer großen gemeinsamen Wallfahrt im nächsten Jahr. Und wir erstellen Arbeitsmaterialien und Gottesdiensthilfen, die in allen Bistümern genutzt werden. Mit den jungen Leuten direkt in Kontakt zu stehen und sie auf ihrem Weg zu begleiten ist hingegen Aufgabe der Verantwortlichen in den Diözesen.
Frage: Ist die Berufungspastoral innerhalb der Kirche ein besonders wichtiges Thema? Schließlich geht es um die Rekrutierung des Nachwuchses….
Maas: Den Begriff der "Rekrutierung" halte ich nicht für so glücklich. Die Entscheidung für einen kirchlichen Beruf hat mit Rekrutierung ja nicht viel zu tun. Sie ist ein viel tieferes Geschehen, eben eine Berufung. Ich habe schon den Eindruck, dass es vielen in der Kirche am Herzen liegt, junge Menschen in diesem Sinne zu begleiten. Die kirchlichen Mitarbeiter wollen weitergeben, was es heißt, von Gott berufen zu sein, persönlich einen Auftrag bekommen zu haben, den nur man selbst erfüllen kann.
Frage: Wie ist der Trend bei den Berufen in der Kirche – wahrscheinlich geht das Interesse doch deutlich zurück?
Maas: Leider gibt es in der Tat immer weniger Studenten, die einen Dienst innerhalb der Kirche als Berufsziel anstreben – sowohl bei Priesteramtskandidaten als auch bei Pastoral- und Gemeindereferenten. Das gibt Anlass zur Sorge, die im Zusammenhang zur gesamtkirchlichen Lage steht. Die Statistiken zu den Kirchenaustritten sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Auch die Zahl der Mitfeiernden in den Gottesdiensten nimmt seit über 40 Jahren beständig ab. Die Grundlage zur Entscheidung für einen kirchlichen Beruf bildet aber der gelebte Glaube. Wo junge Menschen diese Erfahrung nicht mehr machen, da werden sie auch keinen solchen Beruf ergreifen.
Frage: Im Zentrum der Berufe in der Kirche steht der Priester. Deren Stand ist allein im vergangenen Jahr um rund ein Prozent geschrumpft. Heißt das nicht im Klartext: Es sieht schwarz aus für die Zukunft?
Maas: Vom Schwarzsehen halte ich nicht so viel. Die Kirche liegt in Gottes Händen, nicht in unseren. Gleichwohl kommt es natürlich darauf an, dass sich Menschen in Seinen Dienst stellen. Und es ist tatsächlich so, dass es den Prognosen nach in den kommenden Jahren deutlich weniger Priester geben wird. Vielleicht ist das aber auch eine Gelegenheit, die Berufung eines jeden Christen, aus der Taufe heraus die Kirche zu gestalten, neu zu entdecken.
Frage: Was kann man tun, um diesem Trend entgegen zu wirken?
Maas: Das ist eine Aufgabe für die ganze Kirche. Das sinkende Interesse betrifft ja die Glaubenspraxis allgemein. Wir müssen überlegen, was wir tun können, um jungen Menschen die Schönheit des Glaubens zu zeigen. Es ist entscheidend, in ihrer Lebenswirklichkeit präsent zu sein, Zeit mit ihnen zu verbringen. Dann gilt es aber auch, das gemeinsam Erlebte im Licht des Glaubens zu deuten und die Jugendlichen zu einer persönlichen Gottesbeziehung zu führen. Im Wort ‚Berufung‘ steckt es ja schon drin: Es ist ein Ruf, der ergeht, und wir glauben eben, dass dieser Ruf von Gott herkommt. Ohne Beziehung zu Gott werde ich einen solchen Ruf aber nicht wahrnehmen. Auf diese persönliche Beziehung kommt es also an, vor allem jetzt, wo die kirchlichen Strukturen nicht mehr so selbstverständlich gegeben sind wie noch vor 20 Jahren. Die Sicherheit etwa, dass junge Leute quasi automatisch durch die Jugendarbeit in ihrer Pfarrei eingebunden werden, gibt es nicht mehr. Außerdem halte ich auch das Gebet für geistliche Berufungen für ausgesprochen wichtig. Es ist nicht nur der Auftrag des Herrn; in unseren Bitten tragen wir ja auch das vor Gott, was uns bewegt.
Frage: Wie stehen die verschiedenen Berufe zueinander?
Maas: Es kommt darauf an, die Aufgaben im Miteinander anzugehen. Der Priester ist in der Regel derjenige in einer Gemeinde, der das Team leitet; er spendet die Sakramente, ist sehr viel im liturgischen Bereich tätig und sollte den Überblick dafür haben, dass in der Seelsorgeeinheit alle Grundvollzüge der Kirche lebendig sind. Er stellt die Einheit innerhalb des Teams und der Gemeinde her. Pastoral- und Gemeindereferenten bereiten häufig auf den Empfang der Sakramente vor, begleiten Gruppen innerhalb der Gemeinden und gestalten auch Beerdigungen. Von ihrem Grundanliegen sind die Pastoralreferenten diejenigen, die die theologische Bildung in einer Gemeinde voranbringen – zum Beispiel durch Vorträge und Impulse. Die Gemeindereferenten haben eine eher praktische Ausbildung und bringen diesen Aspekt ein. Ein Schwerpunkt in der Arbeit der Diakone ist es, darauf zu achten, dass auch die sozial Schwächeren und die Caritas in der Gemeinde einen Platz haben.
Serie: Berufe in der Kirche
Dieses Interview ist Auftakt einer Serie über die Berufe in der Kirche. Jeden Dienstag stellen wir Ihnen in Porträts und hintergründigen Texten die einzelnen Berufsbilder vor - vom Pfarrer über Gemeinde- und Pastoralreferenten bis zum Kirchenmusiker und Küster. Lesen Sie am kommenden Dienstag, wie Pfarrer Ulrich Kotzur in Berlin Jugendseelsorge betreibt und was für ihm am Priestersein so attraktiv ist.Frage: Über ein Diakonat für Frauen, also ein Weiheamt für Frauen, wird immer wieder diskutiert. Wie beurteilen Sie das?
Maas: Ich finde es wichtig, dass wir darüber sprechen, wie Frauen nicht nur in der Pastoral tätig sein können, sondern auch in verantwortungsvolle Positionen in der Kirche kommen. Heute können Frauen bis zum Kanzleramt jede Aufgabe wahrnehmen und das ist auch richtig. Vor diesem Hintergrund wird oft argumentiert, es sei jetzt einfach an der Zeit, ein Weiheamt für Frauen zu schaffen. Auf theologischer Ebene fehlen mir da aber die überzeugenden Argumente. Es gab in der frühen Kirche zwar Diakoninnen. Deren Dienst war aber ein ganz anderer als das heutige Diakonat. Damals war etwa die Ganzkörpersalbung von Taufbewerbern der Hintergrund. Das sollte bei weiblichen Täuflingen eben nicht ein Mann vornehmen, sondern eine Frau.
Frage: Wie kann auch in Zukunft ein lebendiges Gemeindeleben gewährleistet sein?
Maas: Die Charismen aller Mitarbeiter müssen berücksichtigt werden – wenn es einen musikalischen Gemeindereferenten gibt, kann er eine Band aufbauen. Ich hatte als Kaplan einen Chef, der ist gern Motorrad gefahren und hat Motorradgottesdienste angeboten. Der Pastoralreferent hat ein Männerkochen ins Leben gerufen. Das sind zwar keine unbedingt notwendigen Angebote, aber gerade solche Aktivitäten können ein Gemeindeleben ausmachen, weil Herzblut daran hängt. Das ist wie eine Berufung in der Berufung: Wer etwas macht, das ihm besonders liegt, der wird viel Freude haben und das auch besonders gut machen. Genauso muss es uns gelingen, die Charismen der Gemeindemitglieder zu entdecken und ins Gemeindeleben einzubringen.
Frage: Worauf wird es noch ankommen?
Maas: Das Zusammenspiel der einzelnen Berufe muss sich noch intensivieren, gerade wenn es weniger Personal gibt. Heute kommt es schon mal vor, dass auch Machtfragen im Raum stehen. Dabei heißt es in der Heiligen Schrift: "Bei Euch aber soll es nicht so sein". Ein Beispiel: Die Gemeindereferentin hat die Erstkommunion-Vorbereitung gemacht, aber der Pfarrer hält den feierlichen Gottesdienst, so dass sich die Aufmerksamkeit auf den Pfarrer hin konzentriert. Dann sollte er schon deutlich machen: Den wesentlichen Teil der Arbeit hat unsere Gemeindereferentin geleistet. Das gleiche gilt auch in die andere Richtung: Wenn eine Gemeinde sonntags nur einen Wortgottesdienst ohne Eucharistiefeier hat, dann sollte etwa der Pastoralreferent, der diesen leitet, auch deutlich machen, dass dies eine Messfeier nicht ersetzen kann. Letztendlich stehen alle im Dienst des anderen und im Dienst für Jesus Christus.
Frage: Werden auch neue Berufe in der Kirche entstehen?
Maas: Da braucht man gar nicht weit in die Zukunft schauen. Das passiert jetzt schon. In einzelnen Diözesen gibt es Angestellte, die dem Priester die Verwaltungsaufgaben so weit wie möglich abnehmen, bei den Kindergärten etwa oder bei der Hausverwaltung. Da gibt es viele positive Erfahrungen. Das heißt für den Priester natürlich Abgabe von Macht und vor allem, dass sich lange gewohnte Strukturen verändern, aber das tut möglicherweise ja sogar gut. Wenn er sich nicht so sehr mit der anstehenden Gebäudesanierung beschäftigen muss, hat er mehr Zeit, sich darum zu kümmern, wie die Gemeinde von innen aufgebaut wird.