Vergebliches Bemühen
Ein neues Licht auf dieses dunkle historische Kapitel wirft nun das jüngst erschienene Buch des deutschen Historikers Michael Hesemann.
Anhand von bislang unveröffentlichten Dokumenten aus dem Vatikanischen Geheimarchiv zeichnet er die diplomatischen Bemühungen von Papst Benedikt XV. (1914-1922) um ein Ende der Gräueltaten gegen die Armenier nach.
Die neuen Dokumente belegen, dass man in Rom schon sehr früh im Bilde war über das Ausmaß der Taten. Papst Benedikt XV. intervenierte bereits im September 1915 bei Sultan Mehmet V. Kurz zuvor hatten ihm unter anderen der deutsche Reichstagsabgeordnete der katholischen Zentrumspartei, Matthias Erzberger, und das italienische Außenministerium über die Massaker an den Armeniern berichtet, die am 24. April 1915 begannen.
Zynische Wahrheit
Der Papst bat den Sultan um "Mitleid mit dem Schicksal [...] des schwer bedrängten armenischen Volkes, das an den Rand der Vernichtung gebracht wurde". Die türkische Regierung tat nach Erkenntnissen Hesemanns allerdings alles, um die Überbringung dieses Briefes solange zu verzögern, bis die Deportationen und Massaker abgeschlossen waren. Nach zwei Monaten teilte der Sultan dem Papst dann mit, dass "eine spürbare Verbesserung der Lage dieses unglücklichen Volkes eingetreten" sei. Das war, wie der deutsche Historiker kommentiert, durchaus die Wahrheit, wenn auch eine sehr zynische: Zu diesem Zeitpunkt sei die Zahl der Armenier bereits so dezimiert gewesen, dass es keiner weiteren Massaker mehr bedurft hätte.
Diplomatische Bemühungen im Alleingang
Anfang 1918 intervenierte Benedikt XV. erneut beim Sultan, nachdem es im Osten des Osmanischen Reiches zu weiteren Ausschreitungen gegen Armenier gekommen war. Der Papst wusste, dass seine Erfolgsaussichten erheblich steigen würden, wenn er das Deutsche Reich für sein Anliegen gewinnen könnte. Denn Berlin war damals der wichtigste Verbündete des Osmanischen Reiches. So beauftragte er den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Eugenio Pacelli, den späteren Papst Pius XII. , bei der Regierung in Berlin zugunsten der Armenier vorzusprechen. Doch die wollte ihren Bündnispartner nicht verprellen und schwieg.
Was Benedikt XV. mit Hilfe des Deutschen Reiches zugunsten der Armenier womöglich hätte bewirken können, zeigte das Vorgehen nach Ausschreitungen gegen die Juden in Palästina im Jahr 1917. Die jüdische Gemeinde wandte sich mit der Bitte um Hilfe an den Papst. Daraufhin sprach der vatikanische Botschafter Pacelli beim Außenminister des Königreichs Bayern vor, Otto Ritter von Dandl, der seinerseits beim Auswärtigen Amt in Berlin intervenierte. Das führte dazu, dass der türkische Befehlshaber für die Region durch einen deutschen General ersetzt wurde.
Schließlich wandte sich Pacelli am 9. März 1918 persönlich an den damaligen deutschen Reichskanzler Georg Graf von Hertling, einen Katholiken. In dem Schreiben bat er "dringlichst" darum, dass Kaiser und Reichsregierung "allen Einfluss aufwenden, um zu erreichen, dass die armen Armenier von den Türken in schonender Weise behandelt werden in jenen Gebieten, welche der Türkei durch den Friedensvertrag mit Russland zufallen".
Kaiserliche Regierung ergreift Partei für Türken
Die Antwort des Reichskanzlers: Die Kaiserliche Regierung habe sich bereits nach dem Vertragsschluss "überzeugen können, dass die Türkische Regierung entschlossen ist, die Armenier mit Milde zu behandeln". Dann ergreift er Partei für die Türkei. Eine solche schonende Behandlung sei jedoch nur möglich, wenn die Armenier, "ihre jetzt völlig aussichtslos gewordenen politischen Wünsche aufgeben und loyal zu ihrer Untertanenpflicht zurückkehren".
Den Völkermord an den Armeniern, dem nach Schätzungen zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen konnte Papst Benedikt XV. mit seinen diplomatischen Bemühungen ebenso wenig stoppen wie den Ersten Weltkrieg .
Von Thomas Jansen (KNA)