Ein Interview mit Immobilienmakler Sebastian Fesser

Warum kauft man sich eine Kirche?

Veröffentlicht am 17.01.2018 um 13:20 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ Eine Kirchenschließung ist immer ein Todesurteil - zumindest für die Gemeinde. Doch viele Kirchen können umgenutzt werden. Immobilienmakler Sebastian Fesser hat genau das vor.

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Wenn Kirchen abgerissen werden, ist das schmerzhaft. Eigentlich sollte dieser drastische Schritt immer nur die letzte aller Möglichkeiten sein. Oft werden die Kirchen aber mit sakralem Charakter umgenutzt. Private Inverstoren scheuen aber auch keinen Komplettumbau. Einer von ihnen ist Immobilienmakler Sebastian Fesser. Die profanierte Magdalenenkapelle ist aber nicht das einzige Kirchengebäude in seinem Besitz. Im Interview mit katholisch.de erzählt er, wie er seine Gotteshäuser gefunden hat und was er nun damit vorhat.

Frage: Wie kam es dazu, dass Sie sich ausgerechnet ein Kirchengebäude als Immobilie gekauft haben?

Sebastian Fesser: Das war eigentlich eher zufällig. Ich hab die Kapelle morgens um 5 Uhr, als ich nicht schlafen konnte, bei eBay-Kleinanzeigen entdeckt. Ich dachte, dass ich mir das genauer anschauen musste, weil sie auch günstig angeboten wurde. Der Besichtigungstermin war schon am selben Nachmittag. Es waren ziemlich viele Menschen da. Ich bin reingekommen, habe mich umgeschaut und hatte überhaupt keine Idee, was ich daraus machen könnte. Aber ich dachte sofort, dass dieses Gebäude besonders ist. Viele der Interessenten sprachen von Abriss. Das Gotteshaus ist schon seit 2010 profaniert. Einer wollte sogar eine Reihenhaussiedlung bauen. Ich habe dann lange mit dem Verkäufer gesprochen, der die Kapelle nach der Profanierung direkt von der Kirche erworben hatte. Er fragte mich, was ich genau machen möchte. Ich hatte aber ja noch überhaupt keine Ahnung. Ich überlegte dann ziemlich lange, bis mir die Idee kam, ein Wohnhaus daraus zu machen. Ein Loft sollte es werden. Wir haben in der Kirche eine teuflische Deckenhöhe von 6,66 Metern (lacht). Die wollte ich erhalten und keine Zwischendecke einbauen. Dann hätte ich gleich ein langweiliges Haus.

Frage: Wie wird ein Gotteshaus zu einem Wohnhaus?

Fesser: Da ist viel zu tun. Ich habe momentan kein Wasser und kein Abwasser. Und der Strom reicht auch nicht für ein normales Haus. Es gibt nur so viel Strom, dass eine Lampe brennt und der alte Nachtspeicherofen funktioniert. Mehr nicht. Es gibt kein Gas, also gibt es keine Heizung. Die Erschließung muss also komplett neu gemacht werden.

„Das Gebäude heißt Magdalenenkapelle und das bleibt es auch.“

—  Zitat: Sebastian Fesser

Frage: Was sind dann die nächsten konkreten Schritte?

Fesser: Ich habe als bereits mit dem Bauamt gesprochen. Dort wurde mein Vorhaben relativ schnell abgenickt. Die freuen sich sehr, dass da etwas passiert, weil die Kapelle ja seit Jahren ungenutzt dasteht. Ich muss jetzt erst die Gesamterschließung mit Strom, Wasser und Gas machen. Dann muss innen auch viel passieren. Da liegt momentan ein PVC-Boden, ein ganz hässlicher, der muss raus. Ich muss eine Dämmung reinsetzen, weil das Gebäude komplett ungedämmt ist. Eigentlich muss ich alles machen und jede Wand anfassen (lacht).

Frage: Wie viel bleibt noch von der eigentlichen Kirche?

Fesser: Wir haben hier architektonisch kein besonders tolles Baujahr. Die Kapelle wurde 1955 erbaut. Sie hat keine schönen typischen Rundfenster. Die jetzigen müssen aber ersetzt werden. Ich hatte überlegt, ob ich eine Seite des Gebäudes aufschneide und ein großes Kirchenfenster einbaue, um den Kircheneffekt so wieder herauszustellen. Planerisch muss auch einiges beachtet werden. Wir müssen ja aufpassen, dass wir die Toilette nicht dahin machen, wo früher der Altar gestanden hat. Wir wollen die Empore etwa als zweite Etage nutzen und eben keine komplette Zwischendecke einziehen. Oben ist ein Turm ohne Glocke, da wird eine Uhr drankommen.

Frage: Der Kirchencharakter wird also im Loft erhalten bleiben?

Fesser: Ja, absolut. Ich bin selbst Immobilienmakler und ich mag Orte mit Namen und Charakter. Das Gebäude heißt ja Magdalenenkapelle und das bleibt es auch. Diesen Namen ziehe ich so durch: Wohnen in der Magdalenenkapelle.

Bild: ©Sebastian Fesser

Im Innnenraum der profanierten Magdalenenkapelle in Evern bei Hannover ist für Besitzer Sebstian Fesser viel zu tun. Ein Loft soll entstehen.

Frage: Weil Sie selbst einen kirchlichen Hintergrund haben?

Fesser: Ich selbst bin nicht gläubig, auch nicht getauft. Aber man reißt keine Kirchen ab. Auch wenn sie profaniert sind. Vor allem hat meine Kapelle eine interessante Geschichte: Da hat ein Graf ein Stück Land gespendet und die Bürger aus dem Ort haben Geld gesammelt, um sich selbst diese Kirche zu bauen. Ich habe da also eine gewisse historische Verantwortung.

Frage: Und dann haben Sie ja auch noch ein Kloster gekauft?

Fesser: Das Kloster ist aus dem 13. Jahrhundert und ich bin da über ganz kuriose Umwege drangekommen. Das war in einem Paketkauf dabei. Bis kurz nach 1989 wurde das auch als Kloster genutzt. Danach haben sich die Menschen dort kostengünstig Baumaterial besorgt. Also stehen da mittlerweile nur noch vier Wände – keine Decke mehr. Interessant ist aber: das ist das älteste Gebäude Brandenburgs. Damit kommt natürlich auch wieder eine gewisse Verantwortung. Die zuständige Denkmalpflegerin hat sich dafür eingesetzt, dass wir Zuschüsse bekommen, damit das Kloster als Denkmal wieder betretbar ist. Dafür, dass ich eigentlich nichts mit Kirche am Hut habe, bin ich nun Besitzer von zwei Kirchengebäuden (lacht).

Frage: Momentan wird bei eBay-Kleinanzeigen wieder eine Kirche angeboten – in Sachsen. Ist das für sie auch interessant?

Fesser: Grundsätzlich ist sie spannend – sie steht nur falsch. Sachsen ist immobilientechnisch leider einer der schlechtesten Standorte Deutschlands. Der Kirchenverkauf ist für mich aber insgesamt schwierig. Auch meine Kirche hat für mich einen gewissen Beigeschmack: Die Menschen haben das mit der Hand aufgebaut und die Kirche hat sie dann verkauft. Deswegen sehe ich nun bei mir selbst die Verantwortung, das zu ehren.

Von Julia Martin