Warum machen wir es dem Papst so schwer?
Eine Feststellung vorweg: Der Papst möchte nicht in erster Linie die Möglichkeit der Zulassung von Frauen zur Weihe prüfen lassen. Bei einer Fragerunde mit Oberinnen von Frauenorden am vergangenen Donnerstag hatte er vielmehr den Wunsch geäußert, die unterschiedlichen Spielarten der Diakonin im Verlauf der Kirchengeschichte näher zu erforschen. Zum Grundwissen der antiken Kirchengeschichte gehört, dass es in den ersten Jahrhunderten belegbar Diakoninnen gab. Zum Stand der Forschung gehört aber auch: Das Amt war nicht mit dem heutigen Diakonat vergleichbar und ist auch nur für einen gewissen Zeitraum und nur für bestimmte Regionen im Osten des römischen Reiches nachweisbar. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass "die Kirche" die Diakoninnenweihe bereits einmal kannte; vielmehr waren es einzelne Teilkirchen, die in der Alten Kirche eine noch deutlich größere Bedeutung hatten als heute.
Zielrichtung von Franziskus' Worten übersehen
Ob es mangelndes Wissen oder Unachtsamkeit war: Die geschichtswissenschaftliche Zielrichtung der Worte Franziskus' wurde in ersten Reaktionen weithin übersehen. Reflexartig wähnten zahlreiche Kommentatoren und Berichterstatter in der frei formulierten Antwort des Papstes einen nahenden Umsturz der kirchlichen Lehre über das Sakrament der Weihe. Auch katholisch.de hatte eine entsprechende Meldung publiziert; mit missverstandenem Inhalt, wie sich später herausstellte. Doch gerade in der säkularen Presse hielt sich das Diktum von der Debatte über die Frauenweihe und auch von kirchlichen Verbänden und Vereinen kamen umgehend erwartbare Jubelrufe.
Linktipp: "Es wird der Kirche gut tun, das zu klären"
Papst Franziskus hat sich zu einer möglichen Öffnung des Diakonats für Frauen geäußert. In einer Audienz für Ordensoberinnen antwortete er auf die entsprechende Frage einer Oberin. Nun hat der Vatikan den Wortlaut der Antwort veröffentlicht. Lesen Sie hier die deutsche Übersetzung.Doch selbst wenn der Papst tatsächlich und eindeutig die Einrichtung einer Theologenkommission zur Frage des Frauendiakonats in der heutigen Kirche verkündet hätte, müsste man manche Reaktionen als unangemessen bezeichnen. Denn der Wunsch nach Forschung, also einer wissenschaftlichen Debatte, kann sinnvollerweise nicht mit fertigen Ergebnissen beantwortet werden. Es zählt zu den mittlerweile doch bekannten Eigenarten des amtierenden Papstes, dass er den freien Diskurs aus dem Moment heraus fördert, ohne diesen von vornherein mit eigener, gefestigter Meinung oder gar Denkgrenzen zu beeinflussen. Wo Franziskus allerdings Türen öffnet, um anstehenden Debatten einen Raum zu geben, werden diese allzu oft mit fertigen Meinungsbildern sofort wieder geschlossen.
Mehr noch werden die ergebnisoffenen Vorstöße des Papstes nach dem aufgeregten "Und sie bewegt sich doch!" zugleich mit neuen Forderungen überhöht. So geschehen etwa im vorliegenden Fall, als die stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, Irmentraud Kobusch, die sich seit Langem im Mitte der 1990er Jahre gegründeten Verein "Netzwerk Diakonat der Frau" engagiert. Im domradio-Interview stellte sie klar, dass man im Verband "das sakramentale Diakonat der Frau" erwarte: "Wir wären nicht zufrieden, wenn es ein Diakonat gäbe, das nicht Teil des Weiheamtes ist. Das würde uns nicht reichen." Ähnliches kam vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Diese Absagen galten einem Vorschlag des emeritierten Kurienkardinals Walter Kasper aus dem Jahr 2013. Selbst der Kronzeuge der kirchlichen Reform hat es schwer, wenn Franziskus Veränderungsbereitschaft signalisiert.
Die neuerliche Episode vom Frauendiakonat zeigt einmal mehr, dass die Kirche sich eine neue Form der Kommunikation erst noch erschließen muss. Die Anläufe des Papstes, offene Diskussionen zu führen, münden regelmäßig in einem alle Extreme ausreizenden Tumult. Wenn nun Kasper in einem Interview mit einer italienischen Zeitung den Beginn einer "heftigen Debatte" erwartet, dürfte er nicht ganz falsch liegen. Erleben konnte man diesen Mechanismus – nota bene unter maßgeblicher Teilnahme Kaspers – etwa bei den zurückliegenden Familiensynoden. Über große Zeiträume war da kaum eine konstruktive Debatte auszumachen, sondern vielmehr ein erbitterter Grabenkampf zwischen unverrückbaren Meinungen. Und doch: Am Ende präsentierte Franziskus mit "Amoris laetitia" ein Destillat der Diskussionen, das kaum einen Leser unglücklich gemacht haben dürfte. Dennoch musste er zu Beginn seines Schreibens ermahnen, die Lektüre nicht mit ebenso harten Bandagen anzugehen wie die vorangegangenen Diskussionen.
Debatte ja, aber bitte offen
Es bleibt zu hoffen, dass auch die nun erneut eröffnete Debatte um Frauen im diakonischen Amt zu einem guten Ziel führen wird – gleich wie dieses am Ende aussehen mag. Franziskus hat bewiesen, dass er auch in ausufernden Gesprächslagen nicht den Überblick verliert und sogar Extreme einzufangen vermag. Dennoch könnte und sollte die Kirche es ihrem Hirten in Zukunft einfacher machen. Debatte ja, aber bitte tiefgründig, offen und vor allem weniger hastig!