Was bedeutet das dritte Geschlecht für Weihe und Ehe?
In Sachen drittes Geschlecht sieht der Münsteraner Theologe Thomas Schüller innerkirchlichen Klärungsbedarf. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird kirchenrechtlich noch in der Deutschen Bischofskonferenz zu bewerten sein", sagte Schüller am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das betreffe sowohl die Ehe als auch die Priesterweihe.
Auf Basis der katholischen Lehre sehe das Kirchenrecht eine Ehe zwischen Mann und Frau vor, führte Schüller aus. "Sollte nun jemand nach 2018, wenn der deutsche Gesetzgeber die gesetzlichen Grundlagen für das dritte Geschlecht geschaffen haben wird, sich im dritten Geschlecht eintragen lassen, kann er/sie/es nicht kirchlich heiraten, weil er/sie/es kein eindeutiges Geschlecht hat."
Schüller: Bestimmungen wirklichkeitsfremd
Auch der Zugang zur Priesterweihe bleibe verwehrt, wenn keine eindeutige Geschlechtszuweisung erkennbar sei, so der Kirchenrechtler weiter. "Hier gibt es ja bereits eine Grundsatzentscheidung der Glaubenskongregation noch unter ihrem Präfekten Kardinal Joseph Ratzinger, dass Frauen, die durch Geschlechtsumwandlung Männer wurden, nicht zur Weihe zuzulassen sind, da sie von Geburt immer ein naturrechtlich feststehendes Geschlecht haben."
Schüller nannte diese Bestimmung wirklichkeitsfremd. Er habe während seiner 16-jährigen Tätigkeit im Bistum Limburg mehr als einmal mit Fällen zu tun gehabt, bei denen auch mehrere Monate nach der Geburt ein Kind keinem Geschlecht medizinisch zugeordnet werden konnte. "Dann stand die Frage im Raum, auf welchen Namen das Kind getauft wird und mit welchem Geschlecht." Das Urteil aus Karlsruhe werde kirchenrechtlich, "vor allem aber im Lichte der möglicherweise zu überdenkenden christlichen Sicht auf den Menschen noch vertieft zu bedenken sein", betonte Schüller.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche entschieden, dass der Gesetzgeber über männlich und weiblich hinaus künftig einen weiteren Geschlechtseintrag im Geburtenregister ermöglichen muss. Die Regelung gilt demnach für Personen, die sich nicht als Mann oder Frau sehen. Der Beschluss lässt indes offen, wie das Parlament diese Vorgabe umsetzt. Als eine Möglichkeit nannte das Gericht, künftig generell auf Geschlechtseinträge zu verzichten.
Bischofskonferenz nennt Entscheidung "nachvollziehbar"
Die Bischofskonferenz nannte in einer ersten Reaktion die Entscheidung "nachvollziehbar". Sprecher Matthias Kopp sagte: "Wenn bei einem Menschen eine eindeutige Zuordnung zu der binären Einteilung als Frau oder Mann nicht möglich ist, darf er nicht durch rechtliche Vorschriften oder gesellschaftliche Gewohnheiten dazu gezwungen werden, sich entgegen seinen eigenen Empfindungen einem Geschlecht zuzuordnen, das nicht zu ihm passt." Zu den Naturbedingungen gehöre jedoch, dass im Regelfall "die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht dem Menschen vorgegeben" sei, so Kopp weiter. Eine positive Zuordnung zu einem Geschlecht sei besser, als vollständig auf eine entsprechende Selbstaussage zu verzichten.
Auf Lob stieß das Urteil beim katholischen Moraltheologen Andreas Lob-Hüdepohl: "Intersexuelle Personen verdienen als solche volle Anerkennung und Respekt", sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrats. "Aus ethischer Sicht ist Intersexualität eine leiblich bedingte, außergewöhnliche Variante der gewöhnlichen Zweigeschlechtlichkeit menschlichen Lebens und seiner sexuellen Entwicklungspfade", erklärte Lob-Hüdepohl. (bod/KNA)