Interviewbuch "Letzte Gespräche" mit Benedikt XVI. vorgestellt

Weder Schattenpapst noch Panzerkardinal

Veröffentlicht am 12.09.2016 um 16:50 Uhr – Lesedauer: 
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München ‐ Heute hat Erzbischof Georg Gänswein das neue Interviewbuch "Letzte Gespräche" mit Benedikt XVI. der Öffentlichkeit vorgestellt. Darin gibt der emeritierte Papst unumwunden einige Schwächen zu.

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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. zeigt nach Ansicht seines Privatsekretärs in seinem neuen Interviewbuch "ein erstaunliches Maß an Selbstkritik". "Er entmythologisiert sich hier immer wieder selbst", sagte Kurienerzbischof Georg Gänswein am Montag in München bei der Präsentation des Buchs "Letzte Gespräche" mit dem Journalisten Peter Seewald. "Dass Menschenkenntnis nicht seine Stärke ist, gibt er unumwunden zu."

"Der halb blinde Papst - wer hat das je gewusst?"

Benedikt verrate darin auch, dass er seit vielen Jahren auf dem linken Auge kaum noch sehe. "Der halb blinde Papst - wer hat das je schon gewusst?", sagte Gänswein, der Präfekt des Päpstlichen Hauses ist. "Vielleicht ist Benedikt XVI. deshalb auch für viele noch nie so menschlich geworden wie hier in diesem letzten Buch - in seinen großen Stärken und seinen kleinen Schwächen und Gebrechen." Das Bild eines Großinquisitors, das manche von ihm zeichneten, sei daher verfehlt.

"Wenn Joseph Ratzinger irgendwo Panzerkardinal ist, dann in der Strenge der Zeitführung, sonst nirgendwo", sagte Seewald, der mit Benedikt Gespräche vor und nach dessen Rücktritt 2013 geführt hatte. Der aus Bayern stammende Papst habe auch mit schwierigen Fragen kein Problem gehabt. Das Buch widerlege die Behauptung, seine größte Tat sei sein Rücktritt gewesen.

Seewald wandte sich auch gegen die Kritik, das Buch sei ein Denkmal der Selbstrechtfertigung, und Benedikt breche sein Versprechen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen: "Er ist kein Schattenpapst. (...) Er mischt sich nicht ein. Von daher kann man nicht sagen, er will jetzt nochmal gewissermaßen das letzte Wort haben."

Der Soldat Joseph Ratzinger desertierte

Nach Ansicht von Gänswein hatte der Rücktritt als Papst ein umgekehrtes Pendant fast 70 Jahre zuvor: Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges habe sich Ratzinger als Soldat entschlossen, nach Hause zu gehen, obwohl auf Fahnenflucht die Todesstrafe stand. Dieses Jugenderlebnis sei möglicherweise "ein verborgener Schlüssel" zum Verständnis des Rücktritts 2013, als sich Benedikt "ein zweites Mal einfach und still entschloss, nach Hause zu gehen". (dpa)

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Am Freitag erscheint ein Interviewbuch mit Benedikt XVI. Darin spricht er mit dem Autor Peter Seewald offen wie noch nie über seine Gesundheit und seinen Rücktritt. Aber auch Persönliches kommt zur Sprache.