Im Erzbistum Bamberg bestimmt die Basis bei Fusionen mit

Wenn Pfarreien auf "Partnersuche" gehen

Veröffentlicht am 27.09.2017 um 13:55 Uhr – Lesedauer: 
Bistümer

Bonn/Bamberg ‐ Das Erzbistum Bamberg befindet sich mitten in einer grundlegenden Umstrukturierung. Dass der Prozess für niemanden einfach ist, wissen auch die Verantwortlichen im Bistum. Deshalb beziehen sie die Gläubigen mit ein.

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Sei es im nördlichen Hof oder im südlichen Ansbach, in Bamberg im Westen oder Bayreuth im Osten – an einem Sonntag Mitte September lauschten die Gläubigen in allen Gottesdiensten des Erzbistums Bamberg den gleichen Worten: Die Diözese steckt mitten in einem grundlegenden Umstrukturierungsprozess, und Erzbischof Ludwig Schick schwor die Gläubigen in einem Hirtenbrief auf die nächste, entscheidende Phase ein.

Wie in vielen deutschen Diözesen ist "Umstrukturieren" auch in diesem Fall eine eher beschönigende Umschreibung für Kürzen, Dezimieren, Zusammenlegen. Im Erzbistum Bamberg soll sich die Zahl der 94 Seelsorgebereiche, in denen schon heute jeweils mehrere Gemeinden zusammengeschlossen sind, auf die Hälfte halbieren. 47 Bereiche blieben dann noch übrig. Und das hat Konsequenzen: "Die Kirche soll im Dorf bleiben, aber zugleich muss jeder über den eigenen Kirchturm hinausschauen", auf diese Formel bringt Erzbischof Schick die bevorstehenden, schmerzlichen Veränderungen. "Über den eigenen Kirchturm hinausschauen – das darf aber kein Fernblick sein", kontert Günter Heß, der Vorsitzende des Diözesanrats im Erzbistum. Die Bedenken in den Gemeinden fasst er so zusammen: "Auf dem Land haben die Menschen Angst vor den großen Entfernungen, wenn der nächste Pfarrer 30, 40 Kilometer weit weg ist. Und in der Stadt haben die Menschen Angst vor der anonymen Atmosphäre einer Großpfarrei."

Das Hirtenwort im September war innerhalb des sogenannten Bistumsprozesses, der im Oktober 2016 begonnen hat, der Startschuss für die zweite Phase. Nach einer Informations- und Orientierungsperiode müssen die einzelnen Seelsorgebereiche nun ganz konkret auf Partnersuche gehen für eine Art "Zwangsehe": Bis Januar 2019 muss jeder einzelne Bereich mit einem anderen anbandeln und ausloten, ob ein späterer Zusammenschluss möglich ist. "Würdet Ihr mit uns? Könnten wir mit Euch? – Das sind jetzt die Fragestellungen", erklärt Domkapitular Heinrich Hohl, der die Stabsstelle für Diözesane Entwicklung leitet. Am Ende muss jeder Bereich drei mögliche Kandidaten für eine Vermählung angeben.

Seelsorgebereiche frei bei der "Partnerwahl"

Bei der Partnerwahl sind die einzelnen Seelsorgebereiche frei: sogar über Dekanatsgrenzen hinweg können sie um den künftigen Partner werben. Diese Freiheit ist die Antwort der Diözese auf die Sorgen mancher Gemeinde: "Einige hatten die Befürchtung: Die von der Bistumsleitung haben eh schon einen Masterplan in der Schublade. Nein, den haben wir nicht", sagt Heinrich Hohl.

Gleichwohl hat das Bistum einige Kriterien zusammengestellt, die die Seelsorgebereiche bei ihrer Partnerwahl unterstützen sollen:  Wie sieht es mit bisherigen Verbindungen aus, liegen beide Seelsorgebereiche in einem gemeinsamen Schulsprengel, was ist mit kommunalen Grenzen, wo ist die jeweilige Mutterpfarrei, wohin fahren die Leute zum Einkaufen, wo gibt es eine enge ökumenische Verbindung? Außerdem müssen die neuen Einheiten auf dem Land mindestens 12.000 und in den Städten Nürnberg, Fürth, Erlangen und Bamberg mindestens 17.000 Gläubige umfassen. Es steht außerdem schon fest, dass jedes der neuen Gebilde von einem Fünfer-Team – zwei Priester und drei weitere hauptamtliche Seelsorgerinnen oder Seelsorger – geleitet werden soll. "Wir müssen das hauptamtliche Personal gerecht über das Bistum verteilen", begründet Hohl diese Vorgabe.

Bild: ©dpa/Nicolas Armer

"Die Kirche soll im Dorf bleiben, aber zugleich muss jeder über den eigenen Kirchturm hinausschauen", sagt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick über den Umstrukturierungsprozess in seiner Diözese.

Jeder neue Seelsorgebereich soll dann über einen "pastoralen Hauptort" und ein dortiges "gemeinsames Pfarrbüro" verfügen, das dem Seelsorgeteam möglichst viele administrative Aufgaben abnimmt. Es soll die "zentrale Organisations- und Büroeinheit innerhalb eines Seelsorgebereichs" sein und ein "voll ausgestattetes Büro für Verwaltungstätigkeiten bieten", das auch für Besucherinnen und Besucher offen ist, wirbt die Homepage www.erzbistum-mitgestalten.de, die begleitende Infos zum Bistumsprozess bietet. Doch letztlich umschreiben auch diese schönen Worte eine schmerzliche Veränderung: Schließlich bedeutet eine solche zentrale Einrichtung den Rückzug aus der Fläche. Doch das Bistum versucht, auf Bedenken der Gläubigen einzugehen: "Es ist nicht daran gedacht, die Präsenz vor Ort ganz aufzugeben", heißt es auf der Homepage. Domkapitular Hohl verdeutlicht mit einem Beispiel, warum das gemeinsame Büro am Hauptort auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen so wichtig ist. "Um einen Arbeitsplatz einzurichten, haben wir nahezu die gleichen Kosten: ob eine Pfarrsekretärin nun in einer Außenstelle vier Stunden in der Woche oder in der Zentrale acht Stunden am Tag vor Ort ist." Hinzu komme: Je häufiger jemand eine Tätigkeit ausübe, desto routinierter und kompetenter sei er auch dabei. Umgekehrt könne es zu Reibungsverlusten kommen, wenn eine Bürokraft nur einmal im Jahr ein bestimmtes Formular ausfülle.

Damit neben der Verwaltung auch die Seelsorge nicht zu kurz kommt, ist dem Domkapitular in Bezug auf die neuen Seelsorgebereiche besonders wichtig: Am pastoralen Hauptort soll es jede Woche am gleichen Tag zur gleichen Uhrzeit in der gleichen Kirche eine Eucharistiefeier geben. "Die Leute müssen wissen: Auch wenn ich mal im Urlaub bin oder keinen Zugang zum Internet habe – am Sonntag um 10 Uhr ist in der Kirche X am Ort Y Gottesdienst mit Eucharistiefeier", so Hohl, der mit viel Verve und Energie über sein Projekt berichtet.

Nicht jeder steht hinter der Umstrukturierung

Dass gerade an der Basis nicht jeder so hinter der Umstrukturierung steht wie er selbst, ist ihm klar. "Es gab bisher sehr unterschiedliche Reaktionen: Mancherorts herrscht Angst und Verweigerung, andere gehen offensiv in den Prozess." Der aufoktroyierten Partnersuche komplett verweigert hätten sich bisher vier der 94 Seelsorgebereiche.

Der Diözesansrats-Vorsitzende Günter Heß formuliert die bisherige Resonanz so: "Viele haben eben die zähneknirschende Einsicht, dass der Prozess notwendig ist." Er fordert, dem Prinzip der Subsidiarität künftig mehr Gewicht zu geben, um der gefürchteten Anonymität entgegenzuwirken. "Es wäre gut, nicht wegen jeder Kleinigkeit beim 30 Kilometer entfernten Pfarrer antanzen zu müssen." Ob in Wort-Gottes-Feiern, Andachten oder dem Seniorenkreis: Die Gemeinden vor Ort, die auch in den neuen Seelsorgebereichen weiterbestehen, müssten in die Lage versetzt werden, sich auch dann selbst zu organisieren, wenn gerade kein Hauptamtlicher oder gar Geistlicher in der Nähe sei. Dazu fordert Heß etwa einen besseren Zugang zu den jeweiligen Räumlichkeiten und einen entsprechenden Finanztopf. "Die katholische Kirche ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mehr so sehr an der Hierarchie orientiert, sondern vielmehr an den Gläubigen. Die Hauptamtlichen machen in der Kirche vielleicht ein Prozent aus. Wir müssen auch an die anderen 99 Prozent denken."

Auch Domkapitular Hohl erinnert daran, dass beim Bistumsprozess am Ende doch eigentlich der Glaube im Mittelpunkt steht: "Alle reden nur noch von Strukturen, dabei geht es doch um einen geistlichen Prozess. Schließlich sind wir eine Glaubensgemeinschaft, kein Konzern." Jeder im Bistum müsse eine Motivation haben, in dem Prozess mitzumachen: "Und meine Motivation ist es, dass auch in zehn, zwanzig Jahren in unseren Gemeinden noch der lebendige Glaube gelebt werden kann."

Von Gabriele Höfling