Auf Zeitreise mit Kirchenführern im Kölner Dom

Wenn Steine sprechen könnten

Veröffentlicht am 11.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Touristen schauen in Richtung des hohen Deckengewölbes.
Bild: © KNA
Tourismus

Köln ‐ "Wenige Schritte trennen uns noch vom Mittelalter", sagt Markus Eckstein, als er in Richtung der schwarzen Gittertür geht. "Wir springen jetzt in die Zeit um 1300." Mit diesen Worten führt er die Besucher in das Chorgestühl des Kölner Doms. "Hier sieht es so aus, wie schon vor 700 Jahren", erklärt der Domführer.

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Die Besucher zücken ihre Digitalkameras und Handys, um den prachtvollen Dreikönigs-Schrein , das detailreiche Fußbodenmosaik und die farbenfrohen Glasfenster zu fotografieren.

Markus Eckstein ist freiberuflicher Kirchenführer. Seit 1995 lotst er im Auftrag des Domforums regelmäßig Besuchergruppen durch den Kölner Dom, beschreibt dessen Entstehungsgeschichte, zeigt bedeutende Bauelemente und plaudert über Kuriositäten . Er kennt nicht nur Zahlen und Fakten rund um den Kirchenbau, sondern berichtet auch von erfundenen Wappen, erschlichenen Adelstiteln und mittelalterlichen PR-Aktionen.

Nicht nur Orte der religiösen Andacht

Kirchen sind längst nicht mehr nur Orte der religiösen Andacht, sondern zunehmend auch Touristenattraktionen . Den Kölner Dom besuchen rund fünf Millionen Menschen jährlich. Für Eckstein ist die Verbindung von Kirche und Touristenziel kein Problem. "Der Kölner Dom ist und war immer beides", sagt er. Bereits im Mittelalter lockten die Reliquien der Heiligen Drei Könige Pilgerströme an. Das gelungene Nebeneinander von Gläubigen und Besuchern mache die Kirche zu einem lebendigen Ort, findet der 48-Jährige.

Die Silhouette der Kölner Altstadt mit Dom (rechts) und Groß Sankt Martin vom Rhein aus gesehen.
Bild: ©xurzon/Fotolia.com

Die Silhouette der Kölner Altstadt mit Dom (rechts) und Groß Sankt Martin vom Rhein aus gesehen.

Das methodische Wissen für die Domführungen hat sich der Kunsthistoriker im Laufe der Jahre angeeignet. Eine eigene Ausbildung gab es damals noch nicht. Dabei sei die für bessere Qualität und Inhalte der Führungen sinnvoll, findet Eckstein: "Es ist schmerzlich, wenn jemand Führungen macht, der nur ein Buch über die Kirche gelesen hat." Um professioneller Kirchenführer zu sein, reichten Wochenendschulungen nicht aus. "Dem muss eine längere Beschäftigung mit dem Thema vorausgehen." Wer nebenbei Gästen seine Heimatkirche zeige, sei durch die Schulungen aber gut vorbereitet.

Für Ehrenamtliche gibt es bundesweit Weiterbildungen zum Kirchenführer, seit November 2011 auch von der Erwachsenenbildung im Erzbistum Köln. Die rund ein Jahr dauernde Schulung umfasst vier Wochenend-Module. Jede Einzelschulung behandelt eine andere Epoche von den Anfängen des Christentums bis zum modernen Kirchenbau des 21. Jahrhunderts. Neben historischen, kunstgeschichtlichen und theologischen Charakteristika werden auch Didaktik, Rhetorik und Rechtsfragen thematisiert.

Hoch hinaus

Nach Abschluss der Ausbildung arbeiten die meisten Kirchenführer ehrenamtlich in ihrer Heimatgemeinde. "Wir haben viele wunderbare Schätze zu entdecken", sagt Irene Kann vom Kölner Bildungswerk. Die klassische Kirchenführung werde dabei zunehmend um alternative Angebote ergänzt. "Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, was es neben Kirchen noch an religiösen Bauwerken gibt", so Kann. Es gibt Ausflüge zu Wegekreuzen, Kapellen und Friedhöfen und ein Internetportal für religiöse Radwanderungen. Junge Menschen lassen sich durch "Geocaching", eine Art moderne Schnitzeljagd per GPS, für Kirche in der Landschaft begeistern. Auch im Kirchenraum ändert sich einiges. Ob kindgerechte "Touren mit Taschenlampe", Führungen speziell für Frauen, Angebote für behinderte Menschen oder Gäste aus dem Ausland: Das Spektrum wird breiter.

„Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, was es neben Kirchen noch an religiösen Bauwerken gibt“

—  Zitat: Irene Kann, Kölner Bildungswerk

Im Kölner Dom geht es neben den normalen Führungen auch hoch hinaus aufs Dach oder hinab in die Gewölbe. Auch bei Nacht kann man den Dom erkunden. Für Eckstein ist das beinahe Alltag. Herausforderungen sind für ihn Führungen für Blinde oder Menschen ohne Vorkenntnisse, die Beichtstühle für Kasperletheater halten.

700 Jahre steht der Dom schon, und wenn es nach Eckstein geht, folgen mindestens 700 weitere. Die mittelalterlichen Fundamente sind doppelt so tief und stark wie nötig. Da kann auch eine U-Bahn dem Bauwerk nichts anhaben, sagt er. Die Zeitreise ins Mittelalter ist also auch in Zukunft möglich.

Von Tjalke Weber (KNA)