Die Anziehung von Events wie Nightfever und Taize auf Jugendliche

"Wie ein Candle-Light-Dinner mit Jesus"

Veröffentlicht am 07.01.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
"Wie ein Candle-Light-Dinner mit Jesus"
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Jugend

Bonn ‐ Taize-Jugendtreffen, "Mehr"-Konferenz in Augsburg, Nightfever - diese Großevents ziehen immer mehr junge Menschen an. Liegt hier die Zukunft der kirchlichen Jugendarbeit?

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Gerade haben 15.000 begeisterte junge Menschen in Riga beim Europäischen Taize-Jugendtreffen betend den Jahreswechsel zusammen gefeiert. Und noch bis Sonntag sind rund 10.000 Jugendliche und Erwachsene zur sogenannten "Mehr"-Konferenz in Augsburg versammelt, einem jährlichen Treffen mit Lobpreis, Gottesdiensten, Vorträgen und Konzerten. Veranstalter ist das "Gebetshaus Augsburg", das aus einer privaten Initiative entstand und eine ökumenisch-charismatische Ausrichtung hat.

Kontrast zu Gottesdiensten

Eine solche Begeisterung von jungen Menschen für die Kirche lässt aufhorchen, scheint sie doch — abgesehen vom Weltjugendtag – eher selten. Groß ist der Kontrast etwa zu den sonntäglichen Gottesdiensten in den Gemeinden, die doch eher mit einem älteren Publikum gefeiert werden denn mit einer begeisterten Schar Teenager. Sind also einmalige Großevents wie Taize, Nightfever und diverse Pfingstreffen charismatischer Bewegungen die Zukunft der kirchlichen Jugendarbeit, während der Nachwuchs in den Gemeinden und Verbänden langsam ausstirbt?

"Mehr"-Konferenz des katholisch-charismatischen Gebetshauses in Augsburg.
Bild: ©KNA

"Mehr"-Konferenz des katholisch-charismatischen Gebetshauses in Augsburg.

Bei dieser Frage wirkt Martin Lechner, Professor beim Jugendpastoralinstitut Don Bosco in Benediktbeuern am Telefon leicht genervt. Das "Krisengerede über die kirchliche Jugendarbeit" kann er nicht mehr hören. Seine Meinung ist klar: "Eventreligiöse-Veranstaltungen", die sich in den vergangenen Jahren wachsender Beliebtheit erfreuten, seien zwar eine gute Ergänzung der Jugendarbeit in Diözesen und Pfarreien – aber auch nicht mehr. Ähnlich sieht das Paul Metzlaff, Referent bei der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj). Für ihn ergänzen sich die klassische Jugendarbeit und einmalige, besondere Events. "Beides geht Hand in Hand", ist er überzeugt. In seinem Schreiben "Evangelii Gaudium" habe Papst Franziskus den Glauben der jungen Leute als Freundschaft mit Jesus beschrieben. Und die brauche die alltägliche, kontinuierliche Pflege, aber auch spezielle Momente. "Candle-Light-Dinner für die Freundschaft mit Jesus", dieses Bild verwendet Metzlaff für "Mehr"-Konferenz und ähnliche Veranstaltungen.

Professor Lechner warnt zudem davor, die Anziehungskraft der Events zu überschätzen. "Sie mögen zwar publikumswirksam sein und wirken wie ein Magnet. Aber darüber darf man nicht vergessen, wieviel alltäglich in der kontinuierlichen kirchlichen Jugendarbeit geleistet wird, die doch viel prägsamer ist als einzelne Events." Um die Bedeutung dieser klassischen kirchlichen Jugendarbeit zu belegen, nennt er gleich mehrere Zahlen. Sie stammen aus der "Leistungsstatistik der kirchlichen Jugendarbeit in Bayern", die nach 2004 und 2009 auch 2015 von den Bischöflichen Jugendämtern und der Landesstelle für Katholische Jugendarbeit erhoben wurde.

Beeindruckendes Ergebnis

Die Situation in dem Bundesland mag zwar mit der in Ost- oder Norddeutschland nicht vergleichbar sein. Trotzdem ist das Ergebnis beeindruckend: Danach erreichte die Kirche 2015 mit 15.128 Angeboten rund 623.000 Kinder und Jugendliche. Davon nahmen rund 83 Prozent an Veranstaltungen wie Freizeiten, Festen, Seminaren und Sportveranstaltungen teil. Und immerhin gut 90.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nutzten die regelmäßig stattfindenden Gruppenangebote der kirchlichen Jugendarbeit wie eine Pfarreijugendgruppe, eine Verbandsgruppe, den örtlichen Jugendchor. Um anderen diesen "Rundum-Service" der kirchlichen Jugendarbeit anbieten zu können, sind insgesamt über 81.000 Gläubige ehrenamtlich engagiert, knapp die Hälfte von ihnen ist selbst zwischen 18 und 27 Jahren alt.  

Gelegentliche Anfragen, ob in der klassischen Jugendarbeit denn noch ausreichend "Jesus drin sei", kann Lechner nicht nachvollziehen. Schließlich sei die Jugendarbeit ein Lernort des Glaubens. "Wenn ich mit der Pfarreijugend eine Altkleidersammlung mache, dann passiert das doch in einem kirchlichen Kontext. Das sind ja keine Saufclubs, sondern die Gruppen feiern auch Gottesdienste miteinander, beten und stellen sich vielleicht die Frage, wie ein menschenwürdiges Leben gelingen kann, in dem jeder zu seinem Recht kommt". Und da stecke doch sehr viel von der Botschaft vom Reich Gottes drin.

„Nicht jeder, der mal an einem religiösen Event teilnimmt, bekehrt sich auch gleich und engagiert sich dauerhaft in der Kirche.“

—  Zitat: Martin Lechner

Was die Besucher der Jugendkonferenzen und Kongresse angeht, hat Lechner zwei besondere Gruppen identifiziert: Da sei einerseits die relativ geringe Anzahl an jungen Menschen, für die der Glaube und ihr spirituelles Leben eine besonders wichtige Rolle spiele: "Sie sind möglicherweise schon in Gemeinden engagiert, aber das reicht ihnen nicht aus". Bei anderen, die sonst vielleicht nicht so viel mit der Kirche zu tun hätten, sei es vor allem das Unbekannte, das sie an den Großereignissen reize: "Sie gehen nicht nur zum Beten dahin, sondern weil Gemeinschaft erfahren wird, etwas Spannendes passiert", fasst Lechner zusammen. "Aber natürlich ist nicht jeder, der mal an einem religiösen Event teilnimmt, auch gleich bekehrt und engagiert sich dauerhaft in der Kirche".

"Jeder hat seinen eigenen Zugang zu Gott"

Auch Paul Metzlaff sieht darin keinen Automatismus – aber doch eine Chance: "Vielleicht kommen Jugendliche ganz erfüllt von einem Treffen zurück – das kann ja auch der Weltjugendtag oder die Ministrantenwallfahrt sein – und gründen dann eine neue Gruppe in ihrer Pfarrei oder schaffen den Sprung in schon bestehende Angebote". Für ihn ist das Wichtigste, den jungen Leuten unterschiedliche Wege zum Glauben anzubieten, die zu ihren jeweiligen Bedürfnissen passen: "Jeder Mensch hat seinen eigenen Zugang zu Gott: Für den einen passiert das über die Treffen bei den Pfadfindern oder im Jugendchor, und für andere bei Nightfever oder dem Pfingstreffen von Loretto".

Von Gabriele Höfling