Kirche greift bei der Schulung Ehrenamtlicher auf Profis zurück

Wie ein Schauspieler Gottes Personal fit macht

Veröffentlicht am 02.01.2018 um 13:40 Uhr – Lesedauer: 
Liturgie

Seevetal-Hittfeld ‐ Stimmt die Körperhaltung? Ist die Stimmlage angenehm? Und ist der Leiter des Gottesdienstes wirklich bei der Sache? Bei der Schulung ihres Personals holt sich die Kirche gerne Rat von Schauspielern.

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Etwas unsicher schreitet Gisela Kupke die drei Stufen zum Altarraum hinauf. Das weiße Gewand reicht der 47-Jährigen bis zu den Füßen, unter dem Arm trägt sie eine schwarze Mappe. Sorgfältig rückt sie sich den Hocker neben dem Altar zurück. "Halleluja", sagt sie zum Test ins Mikrofon. Da muss auch Sebastian Dunkelberg lachen.

Der 56-jährige Schauspieler unterrichtet seit vielen Jahren Priester und Laien im Erzbistum Hamburg, um sie fit für die Leitung von katholischen Gottesdiensten zu machen. In der Sankt-Ansgar-Kirche in Seevetal-Hittfeld südlich der Hansestadt hat er an diesem Tag zehn einfache Gemeindemitglieder vor sich, die zukünftig Wortgottesfeiern leiten sollen; eine Form, auf die die Kirche in Zeiten von Priestermangel und Großraumgemeinden immer häufiger zurückgreift.

Schauspieler mit Theologie-Kenntnissen

Während Gisela Kupke ihre Mappe aufschlägt und einen Probegottesdienst hält, sitzt Dunkelberg in einer Kirchenbank und beobachtet. Kupke ist kein Neuling auf der liturgischen Bühne: Seit vielen Jahren leitet die Bilanzbuchhalterin ehrenamtlich Kindergottesdienste in ihrer Gemeinde in Neubrandenburg. Als sie zum Singen anhebt, horchen viele Kursteilnehmer auf ob ihrer kräftigen und klaren Stimme. Selbstbewusst nimmt sie das Evangelienbuch vom Altar, trägt es zum Ambo, dem Lesepult, und rezitiert einen biblischen Text. In einem Impuls legt sie ihre Gedanken zu den Bibelworten dar und liest anschließend ein Gebet. Beides dauert jeweils fast zehn Minuten; manche ihrer Kollegen, die in den Kirchenbänken sitzen, schauen bereits auf die Uhr.

Als Kupke fertig ist, sparen sie nicht mit Kritik: "Das war mir viel zu lang", sagt einer der Teilnehmer. "Bei dem Gebet habe ich schon nach dem zweiten Absatz vollkommen auf Durchzug gestellt." Die anderen nicken, und auch Dunkelberg pflichtet ihm bei: "Mit dem, was du gesagt hast, hätte man drei Wortgottesfeiern füllen können", sagt er. "Das war vielleicht ein bisschen zu viel des Guten." Gleichzeitig kann er Kupkes Auftritt aber auch viel Positives abgewinnen: "Du hast ein tolles Standing", kommentiert er. "Du kannst sehr gut singen und tust das mit einer großen Selbstverständlichkeit. Das ist toll."

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Video: © Klaus Böllert

Schauspieler Sebastian Dunkelberg liest im Hamburger St. Marien-Dom die Briefe des Apostel Paulus.

Dunkelberg ist bekannt aus den Serien "Rote Rosen" und "Großstadtrevier". Seit Ende der 80er-Jahre steht er auf Theaterbühnen und kennt sich zugleich in Sachen Kirche aus: Zwei Jahre lang studierte der Hamburger katholische Theologie. "Natürlich ist Liturgie kein Schauspiel", sagt er. "Aber die Leiter von Gottesdiensten können die Werkzeuge eines Schauspielers sehr gut nutzen, um authentisch zu wirken." Stimme, Körperhaltung und Präsenz seien auch für Liturgen enorm wichtig, um ihr Publikum nicht zu langweilen. "Ich kann sehr gut erkennen, ob jemand mir nur etwas vormacht, oder ob er es ernst meint."

Bei den Kursen für die Laien versuche er zuerst den Teilnehmern die Angst zu nehmen, so Dunkelberg. "Es gehört schon ganz schön was dazu, sich da vorne hinzustellen und einen Gottesdienst zu leiten."

Lampenfieber schärft die Konzentration

Die Zusammenarbeit mit Schauspielern und Rhetoriktrainern in der liturgischen Ausbildung sei in den meisten deutschen Diözesen gängige Praxis, sagt Daniela Braker aus dem Liturgiereferat des Erzbistums Hamburg. "Mit ihrem Blick für Mimik und Gestik liefern sie eine wertvolle Ergänzung zu unserer inhaltlichen Arbeit." Im Nordbistum werden jedes Jahr etwa 25 bis 30 Ehrenamtler zu sogenannten Gottesdienstbeauftragten geschult, Tendenz steigend. Ihre Ausbildung erstreckt sich über sechs Wochenenden in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Danach werden sie vom Bischof offiziell beauftragt und in ihren Gemeinden eingeführt.

Für Gisela Kupke steht diese Einführung demnächst bevor. Die Kritik eines professionellen Schauspielers ist in ihren Augen große Hilfe: "Wenn ich gesagt bekomme: Sprich langsamer, dann hilft mir das weiter." Das Praxiswochenende habe ihr noch einmal bewusst gemacht, dass sie noch ruhiger werden und ihre Nervösität ablegen müsse. Kleiner Trost: Ein bisschen Lampenfieber hat noch keinem geschadet. Im Gegenteil, es schärft die Konzentration und sorgt - hoffentlich - für einen spannenden Gottesdienst.

Von Michael Althaus (KNA)

Linktipp: Gebrauchsanweisung für die Liturgie

In Zeiten, in denen es immer weniger Priester gibt, stehen auch Laien zunehmend vor der Aufgabe, liturgische Feiern zu gestalten. Eine Art Einstiegshilfe dafür hat sich nun das Liturgierereferat im Bistum Würzburg ausgedacht. (Artikel aus dem Jahr 2015)